Das Unglück vom Djatlow-Pass

Es geschah im Jahr 1959. Damals war eine Gruppe von zehn Studenten auf einer Skitour im nördlichen Ural. Der Gebirgspass, an dem das Unglück vom Djatlow-Pass geschah, wurde später nach dem Gruppenanführer Igor Djatlow so benannt. Damals war eine Gruppe von zehn Studenten auf einer Skitour im nördlichen Ural. Sie waren auf dem Weg, den Berg Otorten zu besteigen. Ein Mitglied der Gruppe namens Juri musste aus gesundheitlichen Gründen umkehren. Die anderen verschwanden und wurden erst Monate danach tot aufgefunden. Die Haut der Opfer war merkwürdigerweise Tief gebräunt, ihre Haare komplett grau. Einem Opfer fehlten die Augen und Zunge. Forensische Untersuchungen zeigten erhöhte Dosen an radioaktiver Strahlung an den Kleidungsstücken einiger Opfer. In der Gegend wurde ebenfalls hohe radioaktive Strahlung gemessen. Die Quelle der Strahlung wurde jedoch nicht gefunden. Mitglieder der Suchmannschaft erblickten am 31. März 1959 von ihrem Lager im Loswatal aus eine Erscheinung am Himmel, die sie für ein Ufo hielten. Sie sahen längere Zeit eine leuchtende Kugel, die sich über den Himmel bewegte. Eine Wandergruppe, die in der Nähe des Unglücksorts unterwegs war, sah geheimnisvolle orangefarbene Kugeln am Himmel. Am 2. Februar 1959 war eine ähnliche Lichterscheinung von der Stadt Serow aus zu sehen. Außerdem hatte eine Gruppe von Soldaten am frühen Morgen des 17. Februar 1959 in der Nähe von Iwdel etwa 10 bis 15 Minuten lang eine „grellweiße Kugel“ am Himmel gesehen, die sich von Süden nach Norden bewegt habe und von einer weißen Nebelwolke umhüllt gewesen sei. Vonseiten der Regierung wurde behauptet, dass es sich bei den „Kugeln“ um den Schweif von Interkontinentalraketen gehandelt habe. Da die Regierung die Gegend kurz nach dem Bekanntwerden des Unglücks sperren ließ, wurde auch vermutet, dort befinde sich ein geheimes Militärgebiet. Nach neueren Erkenntnissen wird eine Lawine für die wahrscheinlichste Ursache des Unglücks gehalten. Dennoch bleiben Zweifel. So erzählt das Volk der dort ansässigen Wogulen über häufig wiederkehrende Leuchtkugeln an demselben Berg, seit langen Zeiten.


Der Verlauf der Skitour konnte nur anhand der später gefundenen Tagebuchaufzeichnungen der Teilnehmer rekonstruiert werden. Ein für solche Touren üblicher Routenplan war wahrscheinlich verloren gegangen. Die Skiwanderung begann am Vormittag des 28. Januars 1959 in der einst zum Gulag gehörenden Bergwerkssiedlung Wtoroi Sewerny. Von dort sollte es zum Berg Otorten gehen, den die Gruppe Anfang Februar 1959 erreichen wollte. Zunächst wanderte die Gruppe erst flussaufwärts entlang der Loswa.. Vom Auspijatal aus wollte die Gruppe über den Gebirgspass ins Loswatal, wo sie zu übernachten gedachte. Am 31. Januar 1959 begannen sie mit der Passüberquerung, kehrten dann aber wegen starken Windes wieder um und schlugen ihr Nachtlager im Auspijatal am Fuß des Cholat Sjachl auf. Am 1. Februars 1959 versuchte die Gruppe erneut den rund 3,5 Kilometer langen Pass in Richtung Loswatal zu überqueren. Nachdem sie gut die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatten, entschlossen sie sich unerklärlicherweise, ihr Zelt am nordöstlichen Hang des Cholat Sjachl aufzuschlagen. Es bleibt ein Rätsel, warum sie nicht auch noch den Rest der relativ kurzen Strecke ins Loswatal zurücklegten, um – wie ursprünglich geplant – dort übernachten zu können. Die damaligen Ermittlungsbehörden gingen später davon aus, dass das Nachtlager nach 17 Uhr errichtet wurde. Was danach, blieb ungeklärt.


Die russischen Behörden haben den mysteriösen Unglücksfall am Djatlow-Pass 2019 nochmals untersucht. Sie kamen erneut zu dem Schluss, dass eine Lawine die Hauptursache für das Unglück war. Wichtige wissenschaftliche Details fehlten jedoch in dem Bericht. Vor allem erklärt der Bericht nicht, wie eine Lawine abgegangen sein kann, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen, die dokumentiert wurden. Die Lawinentheorie, die schon 1959 erstmals als Erklärungsversuch herangezogen wurde, ist immer noch nicht stichhaltig genug, um das Unglück am Djatlow-Pass hinreichend zu erklären. Das Zeltlager des Teams war an einem Hang in den Schnee getrieben, dessen Neigung scheinbar zu gering war, um eine Lawine auszulösen. In der Nacht zum 1. Februar gab es keinen Schneefall, der das Gewicht der Schneelast am Hang hätte erhöhen können um einen Abgang auszulösen. Die meisten der Verletzungen der Teammitglieder deuten auf stumpfe Gewalteinwirkung hin, waren jedoch völlig untypisch für Lawinenabgänge: In der Regel ersticken Lawinenopfer unter der Schneelast. Außerdem bestand eine Lücke von mindestens neun Stunden zwischen dem Aufbau des Zeltes und dem schlussendlichen Lawinenabgang. Wie war das möglich?


In der Fachzeitschrift „Communications Earth and Environment wurde kürzlich ein Bericht mit neuen Daten zur wahrscheinlichen Ursache des Unglücks veröffentlicht. Danach deutet alles auf eine ungewöhnlich kleine, verzögerte Lawine hin, die für die grausamen Verletzungen und den Tod von neun erfahrenen Wanderern verantwortlich gewesen sein könnte. Der angeblich für Lawinenabgänge zu flache Hang war doch nicht ganz so flach. Die wellige Topografie am Cholat Sjachl, die von Schnee bedeckt war, ließ den Hang flach erscheinen. Tatsächlich war er aber näher an 30 Grad – was, die die ungefähre Mindestvoraussetzung für einen solchen Lawinenabgang ist. Frühere Untersuchungen am Unglücksort, beschreiben auch eine tieferliegende, nicht komprimierte Schneeschicht auf dem Berghang, die eine schwache, rutschige Basis bildete, über die darüberliegender Schnee leicht hätte abrutschen können. Außerdem destabilisierte die Kuhle, die das Team im Schnee grub, um das Zelt aufzustellen, den Hang. Es hätte sich auch zusätzlicher Schnee ansammeln müssen, bevor eine Lawine entstehen konnte. Laut den Wetteraufzeichnungen gab es in dieser verhängnisvollen Nacht aber keinen Schneefall. Den Tagebucheinträgen der Djatlow-Gruppe ist jedoch zu entnehmen, dass es sehr starke Winde gab. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um katabatische Winde – eisige Fallwinde, die große Schneemengen von weiter oben zum Lagerplatz hinuntertrugen. Das erhöhte die Last auf dem ohnehin schon prekären Hang und erklärt die neunstündige Verzögerung zwischen dem Ausheben der Zeltkuhle und dem Lawinenabgang. Computersimulationen bestätigen überdies, dass die Lawine am Djatlow-Pass mit etwa fünf Metern Länge nicht besonders groß gewesen sei. Diese geringe Größe erklärt, warum bei der ersten Untersuchung keine Beweise für eine Lawine gefunden wurden. Die Masse hätte den ausgegrabenen Lagerplatz lediglich aufgefüllt und wäre im Anschluss von neuem Schneefall verdeckt worden. Aber wie entstanden die traumatischen Verletzungen der Skiwanderer? Damals an den Hängen vom Cholat Sjachl hatten die Teammitglieder ihr Bettzeug auf ihren Skiern aufgebaut. Das bedeutete, dass die Lawine, die sie im Schlaf traf, auf ein steifes Ziel prallte.


Weitere Computersimulationen zeigten, dass ein knapp fünf Meter langer Block aus kompaktem Schnee in dieser einzigartigen Situation problemlos die Rippen und Schädel von Menschen brechen könnte, die auf einer festen Unterlage schlafen. Diese Verletzungen wären zwar schwer, aber nicht tödlich gewesen – zumindest nicht sofort. Die Gruppe hätte sich also noch aus dem Zelt befreien können. Die Lawine, die am 1. Februar 1959 am Cholat Sjachl abgegangen zu sein scheint, war ein unglaublich seltenes Ereignis. Was nach dem Lawinenabgang geschah, ist Spekulation und bleibt ein Geheimnis. Es gab keine Überlebenden, die zur Aufklärung hätten beitragen können. Der Zustand der Entkleidung, in dem einige gefunden wurden, bleibt rätselhaft (paradoxes Entkleiden könnte aber eine mögliche Erklärung sein), ebenso wie Berichte darüber, dass einige der Leichen Spuren von Radioaktivität aufwiesen (was eine Folge des in den Campinglaternen vorhandenen Thoriums sein könnte). Die fehlenden Augen und Zunge könnten einfach Aasfressern zum Opfer gefallen sein – aber auch das bleibt ein Geheimnis


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