Parallelwelten

Tatsächlich gibt es Menschen, die nach eigenen Angaben, wie auch immer in eine angebliche Parallelwelt gelangt seien und danach in ihre eigene Welt zurückgekehrt sind, wie der Fall Carol Chase aus dem Jahr 2006, oder der Fall Pedro Oliva Ramirez aus dem Jahr 1986.

 

  • Im Jahr 2006, fuhr die US-Amerikanerin Carol Chase McElheney von Perris in Kalifornien zurück zu ihrem Haus nach San Bernardino. Unterwegs beschloss sie in ihrer Heimatstadt Riverside Halt zu machen. Doch in der Stadt angekommen, konnte sie ihr Elternhaus und die anderen Familienmitglieder nicht finden. Sie erkannte keines der Häuser, obwohl alle Hausnummern richtig waren. Auch der Friedhof, wo ihre Großeltern begraben wurden, war nur ein eingezäunter Platz mit Unkraut überwuchert. Vielleicht war sie in der falschen Stadt, doch dagegen spricht, dass das College und die Mittelschule an der richtigen Stelle standen. Sie verspürte eine von den Riverside-Bewohnern ausgehende unheimliche Stimmung. Erschrocken von einigen dieser düsteren Wesen verließ sie die Stadt schnell wieder. Als sie ein paar Jahre später für die Beerdigung ihres Vaters nach Riverside zurückkehrte, war es die Stadt, die sie als Kind kannte.


  •  Am 9. November 1986 fuhr Pedro Oliva Ramirez von Sevilla nach Alcala de Guadaira. Er fuhr die Strecke öfter und so traf es ihn wie ein Schock, als er um eine Kurve fuhr und sich plötzlich auf einer ihm unbekannten, geraden, sechsspurigen Autobahn befand. Er war von befremdlichen Strukturen und bizarren Landschaften umgeben. Er beschrieb die Autos, die in gleichen Abständen entgegenkamen, als veraltet und entweder in der Farbe Weiß oder beige, mit dunklen, schmalen Rechtecken für Nummernschilder. Nach etwa einer Stunde Fahrt durch eine ihm völlig unbekannte Gegend kam er an eine Abzweigung auf der Linken, welche nach Alcabala, Malaga, und Sevilla ausgeschildert war. Ramirez bog an der Abzweigung ab und nach einer gewissen Weile befand er sich vor seinem Haus in Alcala de Guadaira. Als er den Weg zurückfuhr, konnte er weder die Abzweigung, die Verkehrszeichen, noch die sechsspurige Autobahn wiederfinden.


Doch das sind unbewiesene Geschichten, die nicht verifiziert werden können. Genauso gut kann es sich auch um Hirngespinste der betroffenen Personen handeln. Die Existenz von Parallelwelten (Mehrwelten Theorie) wurde schon in der Antike angenommen. Die Atomisten Leukipp und Demokrit sollen ein Viele-Welten-Modell entwickelt haben. Sie waren überzeugt, dass die Gründe, die aus mechanischer Notwendigkeit zur Entstehung dieser Welt geführt haben, ebenso die Entstehung unendlich vieler anderer Welten bewirkt haben und weiterhin verursachen. Die Welten können nach der atomistischen Lehre sowohl zeitgleich als auch nacheinander existieren. Die Gesamtheit aller Parallelwelten wird als Multiversum bezeichnet. In der modernen Wissenschaft ist die Viele-Welten-Interpretation eine Ableitung aus der Quantenmechanik. Damit soll erklärt werden, weshalb sich die Wahrscheinlichkeit jedes Messwerts in einem quantenmechanischen System genau berechnen lässt, jedoch im Allgemeinen das Ergebnis einer einzelnen Messung nicht vorhersehbar ist. Gemäß dieser Interpretation entstehen bei einer Messung aus einer ursprünglichen Welt mehrere neue parallele Welten mit jeweils unterschiedlichen Messergebnissen.


Vor ca. 13 Jahren wurde vom WMAP-Satellit der NASA eine mysteriöse, riesige, kalte Stelle im Universum entdeckt, die von den Wissenschaftlern Cold Spot genannt wurde. Die Entdeckung wurde 2013 von der Planck-Mission der ESA bestätigt. Messungen zeigen tatsächlich, dass die Strahlung dieses Flecks mit 0.00027 Grad Celsius rund 0.00015 Grad kälter als seine Umgebung ist. Der Fleck ist über 1,8 Mrd. Lichtjahre groß und mindestens 13 Mrd.  Jahre alt, also in etwa so alt wie unser Universum. Eine plausible Erklärung für seine Entstehung gibt es bisher nicht. Versuche, den Fleck mit dem Standard-Modell der Teilchen-Physik zu erklären, sind nicht verifizierbar. Eine neuere Theorie geht aber von der Annahme aus, dass der Cold Spot durch eine Kollision unseres Universums mit einem Parallel -Universum entstanden sein könnte. Das wäre dann der Beweis für die Existenz von Paralleluniversen.


Das klassische Szenario des Urknalls bleibt die Erklärung schuldig, wie die exponentielle Ausdehnung des Universums, innerhalb von Sekundenbruchteilen von Quantengröße bis auf riesenhafte Ausmaße stattgefunden hat. Eine mögliche, aber bisher unbewiesene Theorie bietet die kosmische Inflation. Doch auch diese Theorie wirft Fragen auf. So ist umstritten, wie gleichmäßig diese explosive Expansion ablief – und ob dabei möglicherweise sogar parallele Universen entstanden sein könnten. Ein neues Modell zur kosmischen Inflation, des genialen Physiker Stephen Hawking, welches posthum veröffentlicht wurde, könnte das Rätsel der kosmischen Inflation vielleicht lösen. Das Modell besagt, dass die exponentielle Ausdehnung des Universums weitaus gleichmäßiger als bisher angenommen vonstattenging. Das verringert die Wahrscheinlichkeit, dass beim Urknall zahlreiche Paralleluniversen entstanden sein könnten. Hawking schreibt, die Theorie der Paralleluniversen ist mit meinem Modell zwar nicht aus der Welt, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es sie gibt, wird deutlich geringer.


Eine andere Erklärung für Paralleluniversen bieten die durch Quantenverschränkung verursachten Korrelationen (Wechselbeziehungen). Die durch Quantenverschränkung verursachten Korrelationen sind mittlerweile durch viele Experimente nachgewiesen. Sie sind unabhängig davon, wie weit die Orte, an denen die Messungen an den Teilsystemen vorgenommen werden, voneinander entfernt sind und in welchem zeitlichen Abstand die Messungen erfolgen. Bei quantenmechanischen Teilchen werden diese Phänomene als Nichtlokalität und Verschränkung bezeichnet.


Quanten-Nichtlokalität beschreibt auf quantenmechanischer Ebene mögliche Fernwirkungen zwischen zwei (oder mehreren) räumlich getrennten physikalischen Systemen. In der (speziellen) Relativitätstheorie hingegen ist das Prinzip der Lokalität eine fundamentale Aussage: Nur lokale Ereignisse können einen physikalischen Vorgang beeinflussen. Die Quantentheorie wurde einige Jahre nach der Relativitätstheorie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts formuliert. Sie wurde dabei gänzlich aus nicht-relativistischen Prinzipien aufgebaut; Fragen der Lokalität spielten daher zunächst keine Rolle. Bei der Verschränkung sind zwei Teilchen, die ehemals als Paar auftraten, auch nach ihrer räumlichen Trennung miteinander verbunden. Messungen an dem einen wirken sich unmittelbar, ohne Zeitverzögerung, auf den Zustand des anderen aus. Einstein bezeichnete die Verschränkung spöttisch als "spukhafte Fernwirkung. Für quantenmechanische Teilchen lassen sich keine exakten Positionen angeben. Stattdessen wird die Wahrscheinlichkeit zugrundegelegt, mit der sich ein Partikel an den verschiedenen Orten im Raum befindet. Die quantenmechanische Wirklichkeit ist insofern eine Überlagerung vieler Zustände.  Bisher gibt es verschiedene Theorien um Quantenphänomene wie der Welle-Teilchen-Dualismus (Licht kann als Teilchen oder als Welle auftreten) samt Interferenzeffekten, Photoeffekt und Comptoneffekt (= Wenn Photonen in einem bestimmten Winkel auf ein Elektron treffen, werden sie gestreut. Dabei vergrößert sich ihre Wellenlänge) zu erklären. Bereits 1924 äußerte der französische Physiker Louis Victor de Broglie die Vermutung, dass nicht nur elektromagnetische Strahlung, sondern jegliche Materie Wellencharakter besitzt. Drei Jahre später wurde de Broglies Vorhersage der Materiewellen im Experiment an Elektronen bestätigt. Auch diese als elementar geltenden "Teilchen" zeigen dieselbe Doppelnatur wie das Licht. Das widersprüchliche Bild vom Wellen-Teilchen-Dualismus mit dem sich der subatomare Kosmos präsentiert, führte der Österreicher Erwin Schrödinger 1926 - noch vor dem endgültigen Nachweis von Materiewellen - in einer berühmten mathematischen Arbeit zusammen. Darin interpretiert er das Elementarteilchen Elektron als eine Quantenwelle. Damit gab die Physik die bisherige Sichtweise vom Entweder-Oder in der Natur auf. Die Vorstellung einer Quantenwelt eroberte die Wissenschaft. In ihr löst die Wahrscheinlichkeit feste Eigenschaften ab, eine Konsequenz des unscharfen Nebeneinanders von Wellen- und Teilchencharakter. Auch gelten die Gesetze der Quantenwelt für Kollektive und nicht mehr für Individuen. Quantenwelt ist mittlerweile völlig real und Bestandteil moderner Technik. Elektronenmikroskop, Laser, Supraleiter, Nano- oder Halbleitertechnik, sind nur einige Beispiele. Ohne die Quantenphysik sind die zu Grunde liegenden Naturphänomene nicht zu verstehen. In der Quantenwelt werden nicht nur Elektronen sowie aus Quarks sich aufbauende Protonen und Neutronen zu Wellenphänomenen. Ihr Wirkungsbereich reicht bis zum Atom, der grundlegendsten Organisationsform der Materie. Wie aber erlangen die miteinander wechselwirkenden Wellen in der Quantenwelt jene Eigenschaften, die sie z. B. zu einem elektrisch negativ geladenen Elektron, einem Teilchen mit einer bestimmten Masse machen? Laut dem Standardmodell der Elementarteilchenphysik (SM) borgen sich die Elementarteilchen Energie aus dem Vakuum (Vakuumenergie). Noch vor dem Urknall, soll sich eine erste Struktur bei einer Temperatur von vielleicht einer Billiarde Grad spontan ausgebildet haben. Seither erfüllt sie den Raum wie ein allgegenwärtiges Magnetfeld. Diese nach dem britischen Physiker Peter Higgs benannte Struktur ist das Higgs-Feld. Noch gibt es viele offene Fragen, doch hoffen Forscher, diese durch eine Vereinigung von Quantenphysik und Relativitätstheorie eines Tages zu lüften. Die Beantwortung der Grundfrage, Gibt es eine Urkraft mit der sich unsere komplexe Welt vollständig erklären lässt, wartet auf Antwort.


Bisher weiß jedoch niemand mit Sicherheit, inwiefern quantenmechanische Phänomene tatsächlich Teil unserer Realität sind und welche Konsequenzen das hat: Ist vielleicht alles miteinander verbunden? Gibt es vielleicht parallele Universen, in denen all die quantenmechanisch möglichen Zustände realisiert werden?  Die Vorstellung von Paralleluniversen ist nicht neu und wird in der Quantenmechanik gerne als Interpretationsmodell herangezogen um diverse Phänomene zu erklären.

 

Bereits 1957 stellte der US-amerikanische Physiker Hugh Everett mit seiner „Viele-Welten-Interpretation“ (Many Worlds Interpretation) eine Theorie entgegen der klassischen Physik auf, in der er beschreibt, dass jedes existente Universum sich in viele neue Universen aufspaltet.  Everett bezeichnete seine Interpretation ursprünglich als Korrelationsinterpretation und dann als Relative Zustandsformulierung. Er verstand diese als Metatheorie zur Quantenmechanik also als übergeordnete Theorie, die verschiedene Einzeltheorien einordnen und zusammenführen kann. Im Bereich der Quantenkosmologie und Quantengravitation erfreute sich der Everett'sche Ansatz wachsender Beliebtheit, da er bisher die einzige Interpretation war, in der es überhaupt sinnvoll war, von einem Quantenuniversum zu sprechen.


Physiker der Griffith Universität in Brisbane haben nun eine neue Theorie über das Zusammenspiel zwischen solchen Paralelluniversen aufgestellt. Darin wird behauptet, dass sich, ausgehend von mehreren Universen, diese Paralleluniversen gegenseitig beeinflussen und so die bekannten Quantenphänomene hervorrufen. Die Forscher Michael J. W. Hall, Dirk-André Deckert und Howard M. Wiseman berufen sich auf die Schrödinger-Gleichung und lösen das Problem mit der Theorie, dass jeder der möglichen Zustände existent wird, indem mehrere unabhängige Universen entstehen. In gewisser Weise knüpfen Wiseman, Hall und Decker an die Everett'sche Interpretation an, jedoch gibt es bei ihrem Konzept keine Aufspaltung von Universen, sondern eine festgelegte Anzahl und außerdem eine Interaktion zwischen den verschiedenen Universen. Die Schrödingergleichung beschreibt die zeitliche Veränderung des quantenmechanischen Zustands eines physikalischen Systems in nichtrelativistischer (das heißt nicht im Einklang mit der Speziellen Relativitätstheorie) Näherung in Form einer partiellen Differentialgleichung. Letztere ist eine mathematische Gleichung für eine gesuchte Funktion von einer oder mehreren Variablen, in der auch partielle Ableitungen dieser Funktion vorkommen. Viele Naturgesetze können mittels Differentialgleichungen formuliert werden. Partielle Differentialgleichungen sind ein großes Feld und die Theorie ist mathematisch nicht abgeschlossen, sondern Gegenstand der aktuellen Forschung in mehreren Gebieten. Da für viele Differentialgleichungen keine explizite Lösungsdarstellung möglich ist, spielt die näherungsweise Lösung mittels numerischer Verfahren eine wesentliche Rolle.


Die Welt, in der wir leben, ist nur eine von vielen und alle auftretenden Quantenphänomene sind Resultat einer Abstoßungskraft zwischen den Universen [...]“, mutmaßt das australische Forscher-Trio. Diese Abstoßungskraft sorge auch dafür, dass in den unterschiedlichen Paralleluniversen unterschiedliche physikalische Strukturen herrschten. Ziel der weiteren Forschung ist es  Experimente zu entwickeln, die eine Korrelation zwischen Universen messbar machen umso Phänomene wie die Quantenverschränkung oder Gravitation besser erforschen zu können.

 

Die Frage, ob es Paralleluniversen wirklich gibt, bleibt weiterhin ungelöst. Vielleicht bringt aber die 2016 begonnene Weltraummission der Europäischen Weltraumbehörde ESA und das Weltraumobservatorium LISA endlich die Antwort. LISA misst erstmals Gravitationswellen und erkundet damit das Universum auf eine neue Art und Weise, die es bisher nicht gegeben hat. Das kann zu ganz neuen Erkenntnissen führen.


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