Träume

Der Traum ist eine besondere Form des Bewusstseins. Ursache und Funktion sind auch heute noch nicht umfänglich erforscht. Träume werden in allen Phasen des Schlafes (Einschlafen, Aufwachen, REM-Schlaf und NREM-Schlaf) erlebt. Beim NREM-Schlaf sinken die Körpertemperatur und der Blutdruck des Schlafenden ab und er träumt kaum. Während des REM-Schlafes steigen Blutdruck und Puls wieder an. Träume kommen am häufigsten im REM-Schlaf vor. Es gibt Träume, während derer sich der Träumende seines träumenden Zustands bewusst ist, die sogenannten Klarträume (luziden Träume). Ein luzider Traum ist ein Traum, in dem sich der Träumende seines Traumes bewusst ist. Die Fähigkeit, Klarträume zu erleben, hat vermutlich jeder Mensch, und man kann lernen, diese Form des Träumens durch verschiedene Techniken (Bewusstseinstechniken, Meditation, externe Reize (elektronische Hilfsmittel) oder psychotropische Hilfsmittel) herbeizuführen. Durch die Einnahme bestimmter Psychopharmaka kann das Träumen unterdrückt oder das Klartraum erleben verstärkt werden. Auch durch Meditation vor dem Schlaf und Konzentration nach dem Aufwachen kann die Intensität des Traumerlebens und das Erinnerungsvermögen ausgeweitet werden. Im Klartraum ist es möglich, in bestimmten Grenzen in den Traum einzugreifen und planvoll im Traumgeschehen zu handeln. Dabei sind dann nicht nur eigene Handlungen möglich, sondern auch – zumindest innerhalb meist enger Grenzen – eine gewisse Beeinflussung der Traumumgebung und der Traumfiguren. Klarträume werden überwiegend in der REM-Phase des Schlafes beobachtet.

Die Häufigkeit des Träumens ist bei allen Menschen in etwa gleich ausgeprägt , hingegen ist die Erinnerbarkeit individuell sehr verschieden. Träume werden nur recht selten erinnert. Eine Studie von 2002 mit Probanden ergab, dass sich bei der täglichen Einnahme von 250 mg Pyridoxin (Vitamin B6) vor dem Schlafengehen nach drei Tagen ein stärkeres Traumerleben einstellt.


Im Wachzustand bildet sich aus den verschiedenen Sinneseindrücken die phänomenale Welt, sozusagen als Abbild der physischen Welt. Aus Bewegungsabsichten werden gewünschte Bewegungen in korrespondierende Bewegungen des Körpers umgesetzt. Diese Bewegungen werden wiederum über die Sinne in ein psychophysischen Niveau (PPN) genanntes, untereinander vernetztes System verschiedener, nicht fest lokalisierter Großhirnbereiche zurückgemeldet. So entsteht ein sensomotorischer Regelkreis zwischen physischer und phänomenaler Welt. Im Traumzustand wird dieser Regelkreis aufgehoben. Die phänomenale Welt ist nicht länger Abbild der physischen Welt, sondern basiert auf psychischen Gegebenheiten des Schläfers, letztlich seinen Hirnzuständen. Während im Wachzustand über sensomotorische Regelkreise vom PPN in die physische Welt handelnd eingegriffen werden kann, ist im Traumzustand keine unmittelbare Einwirkung auf die physische Umgebung mehr möglich. Über die Ursachen und Funktion des Traumes gibt es verschiedene Hypothesen. Neben materiellen Hypothesen, wie der Verarbeitung und Lösen von Problemen aus dem Wachleben, Träumen, um zu vergessen oder als Entspannungszustand zur Verarbeitung von angstbesetzten Inhalten, existiert die Hypothese, dass der Geist im Traum den Körper verlässt. Dieses sogenannte AKE-Phänomen kann bei Übermüdung oder bei Klarträumen auftreten, in außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen und auch unter Einfluss von psychotropen Substanzen. Auch können neben inneren Quellen des Trauminhalts zeitgleich mit dem Traum auftretende äußere Reize auf diesen einwirken. Die Reize werden über die menschlichen Sinnesorgane aufgenommen und entsprechend weiterverarbeitet. Als Reize können dabei unter anderem Geräusche, ausgesprochene Worte, Lichteffekte durch das geschlossene Augenlid und körperliche Eindrücke (Hunger, Durst, Harndrang) Infrage kommen. Es wird angenommen, dass je nach Wichtigkeit des Eindrucks für den Menschen (z. B. nach Bedrohlichkeit) der entsprechende Reiz mehr oder weniger intensiv in den Traum eingearbeitet wird.


Mehrmals im Laufe der Geschichte wurde Träumen zugeschrieben, bedeutende Ereignisse, wie wissenschaftliche Entdeckungen, politische Entscheidungsfindung initiiert oder zum Besseren gewendet zu haben. Dem legendären Odysseus soll die Idee vom Trojanischen Pferd durch Athene in einem Traum eingeflüstert worden sein. Alexander der Große träumte von einer Passage aus Homers Odysseus, in der die Insel Pharos vorkam. Nach dem Traum reiste er dorthin und gründete die Stadt Alexandria. Konstantin der Große besiegt „im Zeichen des Kreuzes“ Maxentius in der Schlacht 312, was ihm der im Traum erschienene Christus zuvor bedeutet hatte: „In hoc signo vinces“ (deutsch: „In diesem Zeichen wirst du siegen“. Im 17. Jahrhundert soll ein alter Maurer aus Kärnten durch einen Traum dazu bewegt worden sein, erneut zum Kloster Wiblingen zu pilgern, wo er bei der Wiederentdeckung der Heilig-Kreuz-Reliquie half. Der Wahrheitsgehalt solcher Geschichten ist nicht immer zweifelsfrei nachvollziehbar, in einigen Fällen handelt es sich definitiv um Legenden. Bekannt sind aber z. B. kreative Anstöße, die aus nächtlichen Traumerlebnissen kommen. Bestes Beispiel ist der deutsche Chemiker und Naturwissenschaftler August von Kekulé: Dieser berichtete 1890 im „Halbschlaf“ Atome vor seinem geistigen Auge „gaukeln“ gesehen zu haben. Eine der Schlangen erfasste den eigenen Schwanz (Ouroboros) und höhnisch wirbelte das Gebilde vor seinen Augen. Wie durch einen Blitzstrahl erwachte er und fand so die Lösung für den ringförmigen Benzolaufbau. Weitere Beispiele sind Dmitri Mendelejew (Periodensystem der Elemente) und Elias Howe (Erfinder der Nähmaschine). Beide haben angeblich ihre Lösungen im Traum gefunden.


Zentraler Begriff der Mythologie aller australischer Aborigines ist die sogenannte Traumzeit, einer Ära, die längst vergangen war, als die Erde geformt wurde. Die Traumzeit steht für die Schöpfung und die Zeit, in der Erde und Menschheit entstanden sind. Die australischen Aborigines selbst sehen die Wurzeln ihrer Existenz in ebendieser Traumzeit.  Die Eora, ein Stamm der Aborigines, der in der Bucht von Sydney in Australien lebte, z. B. glauben an ein höheres Schöpfungswesen, das von der Milchstraße zur Erde kam.


  • Dieses Wesen hat das Land und die Menschen erschaffen
  • und jeder Region eine bestimmte Menschengruppe zugeteilt


Das bedeutet für die Aborigines, dass Menschen, die zu einem bestimmten Gebiet gehören, wirklich Teil dieses Gebietes sind und dass, wenn dieses Gebiet zerstört wird, auch sie zerstört werden. Mit Träumen ist für sie der Glaube verbunden, dass die Himmelswesen, die vor langer Zeit die menschliche Gesellschaft gründeten –  alle natürlichen Dinge fertigten und sie an einen besonderen Platz legten. Diese Plätze sind heilig. Der Uluru oder „Ayer’s Rock“ in Australien ist eine der  heiligen Stätte der Aborigines. Weitere heilige Orte sind Kata Tjuta oder Karlu Karlu. Die Aborigines glauben, dass sie zum Ursprung der Schöpfung zurückkehren, wenn sie schlafen. Auch die Seelen ihrer Verstorbenen kehren in die Traumzeit zurück.


Träumen ist kein Privileg des Menschen. Auch Tiere träumen. So hat man bei den Vögeln und fast allen Säugetieren Anzeichen für den REM-Schlaf entdeckt. Auch bei Zebrafischen konnte kürzlich ein REM-ähnlicher Schlaf nachgewiesen werden. Man interpretiert dieses Ergebnis dahin gehend, dass Schlaf vor mehr als 450 Millionen Jahren entstanden sein könnte.

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