Die Thule-Gesellschaft

Die Thule-Gesellschaft war ein politischer Geheimbund, der gegen Ende des Ersten Weltkrieges im August 1918 in München von dem deutsch-osmanischen antisemitischen Okkultisten und Verleger Rudolf von Sebottendorf gegründet wurde. Sebottendorf hat nach eigenen Angaben 1901 in Burs (Türkei) die Bekanntschaft eines griechischen Juden namens Termudi gemacht, der ihn in eine Freimaurerloge eingeführt haben soll. Von Termudi will Sebottendorf auch dessen Bibliothek okkultistischer Bücher geerbt haben. Darüber hinaus beschäftigte er sich angeblich mit der islamischen Mystik, dem Sufismus, der Theosophie Helena Blavatskys sowie dem ariosophischen Ableger der „Theozoologie“ des österreichischen Ariosophen Lanz von Liebenfels1. Letzterer war aber wahrscheinlich ein Hochstapler. Benannt wurde die Thule-Gesellschaft nach der sagenhaften Insel Thule, die weit im Norden gelegen haben soll. Hervor ging sie aus dem logenartig aufgebauten, völkisch-antisemitischen Geheimbund „Germanenorden“. Als Emblem wählte man ein Hakenkreuz mit Strahlenkranz hinter einem Schwert. 1918 nistete sich der neue Geheimbund in München im Luxushotel Vier Jahreszeiten ein.

Er entfaltete schon kurz nach seiner Gründung eine massive, vor allem antisemitisch geprägte Propagandatätigkeit, indem er „den“ Juden als „Todfeind des deutschen Volkes“ brandmarkte. Die Mitglieder glaubten an die Verschwörungstheorie einer „jüdischen Verschwörung“. Ziel war die Errichtung einer Diktatur und die Vertreibung aller Juden aus Deutschland. In der Nachkriegszeit wurde der Geheimbund zum Gegenstand vieler, teils abenteuerlicher Mythen und Spekulationen, die zum Teil auf Sebottendorfs Memoiren zurückgehen. So soll er Kontakte zu geheimen Klosterorden in Tibet gepflegt haben. Von der SS-Forschungseinrichtung der SS „SS-Ahnenerbe“ 1938/39 finanzierte deutsche Tibet-Expedition sei unternommen worden, um eine Radioverbindung zu den dortigen Lamas herzustellen. Die Spekulationen hinsichtlich angeblicher okkulter Aktivitäten der Thule-Gesellschaft reichten bis zu der Behauptung, man habe dort satanistische Praktiken gepflegt. Bei derartigen Ritualen seien Juden und Kommunisten geopfert worden. Die Gesellschaft löste sich 1925 auf. Als von Sebottendorff 1933 eine Neugründung des Geheimbundes versuchte, schob man ihn aus Deutschland ab.

1In den Jahren 1903 und 1904 publizierte Lanz von Liebenfels, eigentlich Adolf Joseph Lanz, eine Artikelserie mit dem Titel Anthropozoon biblicum, worin er erstmals Teile seiner „Theozoologie“ entwickelte. Darin behauptet er, dass in frühen Zivilisationen im Rahmen kultischer Veranstaltungen sexueller Verkehr mit Tieren (Sodomie) praktiziert worden sei. Archäologische Funde und Interpretationen des Alten Testaments sollen diese Theorie angeblich untermauern. Lanz formulierte eine theologische Lehre, wonach der Sündenfall darin bestanden habe, dass die ursprünglich göttlichen Arier sich mit Tieren vermischt hätten. Daraus seien minderwertige Rassen hervorgegangen, und diese würden die legitime Vorherrschaft der Arier bedrohen, insbesondere in Deutschland, wo die Arier im internationalen Vergleich noch am zahlreichsten seien. Lanz postulierte, dass die Menschen ursprünglich göttlicher Natur gewesen seien, und bezeichnete diese frühen, hochstehenden Menschen als Theozoa oder Gottmenschen. Als Stammvater der Anthropozoa identifizierte er Adam, während Christus einer der letzten reinen Theozoa gewesen sei. Das Hauptziel des Alten Testaments bestand Lanz zufolge darin, vor den schädlichen Folgen der Paarung mit niederen Anthropozoa zu warnen, und überhaupt bestehe wahre Religion in der Reinhaltung der Rasse, um die Reste des göttlichen Erbes zu bewahren, die in besonderem Maße bei der arischen Rasse noch vorhanden seien.



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