Theurgie

Die Theurgie (griechisch θεουργία theourgía „Gotteswerk“) ist eine magische Praxis. Sie umfasst verschiedene religiöse Riten und Praktiken, um mit göttlichen Wesen, Engeln, Erzengeln und Dämonen in Verbindung zu treten und von ihnen Hilfe zu erlangen. Das Konzept der Theurgie entstand in der römischen Kaiserzeit. Die theoretische Basis und Instruktionen mit Anweisungen für die theurgische Praxis, enthielten die Chaldäischen Orakel, ein antikes religiöses Lehrgedicht (5. Jhd.). In den Orakeln, die als göttliches Offenbarungswissen galten, wurde die platonische Kosmologie und die Seelenlehre unter dem Gesichtspunkt einer angestrebten Erlösung behandelt. Die Orakel enthielten die Verhaltensregeln für die Theurgie, mit der diese Erlösung erlangt werden sollte. Die Anhänger dieser Lehre waren spätantike Neuplatoniker. Sie waren überzeugt, dass die Aufgabe des Philosophen darin bestehe, sich von der materiellen Welt zu distanzieren und der rein geistigen Welt zuzuwenden. Angestrebt wurde die Erlösung der Seele von ihrem irdischen Dasein und ihr Aufstieg in die geistige Welt. Zur Erreichung dieses Ziels sollte sich der Philosoph von allen niederen Begierden reinigen und sein ganzes Leben konsequent auf ein spirituelles Ziel im Sinne der platonischen Tradition ausrichten. Unter den Anhänger Theurgie war der Weg zu erstrebten Ziel jedoch strittig. Es gab zwei Hauptrichtungen. Eine rein philosophische, die gänzlich ohne theurgische Rituale auskam und eine kultisch orientierte, die theurgische Praktiken für unverzichtbar hielt. Begründer der einen Hauptrichtung war der ägyptische Philosoph Plotin (* 205; † 270), Begründer der anderen der griechische Philosoph Iamblichos (* um 240/245 † um 320/325). Plotin vertrat den Standpunkt, dass die Erlösung der Seele aus der materiellen Welt eine Selbsterlösung sei. Sie sei aufgrund ihrer unverlierbaren göttlichen Natur dazu befähigt. Der Weg zur Erlösung und Freiheit von der materiellen Welt führt über die Selbsterkenntnis der Seele. Iamblichos hingegen hielt eine Erlösung der Seele aus eigener Kraft, nur durch ihre Tugend und Einsichtsfähigkeit, für nicht möglich. 

Die Seele ist in der materiellen Welt gefangen und kann sich ohne Hilfe von außen nicht befreien. Daher sei der Mensch auf die Unterstützung höherer Mächte angewiesen. Diese wird erreicht, indem man sich theurgisch mit dem Göttlichen verbinde.


Eine zentrale Rolle spielt im theurgischen Kult die Göttin Hekate. Sie vermittelt zwischen dem Reich der Götter und der Welt der Menschen, indem sie den Sterblichen den Aufstieg der Seelen ins himmlische Reich ermöglicht. Ihr verdanken die Menschen die Kenntnis vieler theurgischer Rituale. Hekate ist eine den Menschen sehr hilfreiche Göttin, sie ist neben Zeus die einzige Gottheit, die den Menschen jeden Wunsch erfüllen oder verweigern kann. Sie wird als Dreigestalt dargestellt, als drei junge schöne Frauen, die Rücken an Rücken stehen. In den Händen halten die ältesten dieser Darstellungen Früchte und Fackeln.


Laut den in den Chaldäischen Orakeln dargelegten Grundsätze kommt der Materie der niedrigste Rang zu, sie bildet den unvollkommensten Bereich der Welt. Zuoberst steht der transzendente höchste Gott, im übertragenen Sinn auch als Urfeuer bezeichnet. Er ist die Quelle lichtartiger Emanationen, die für die theurgischen Bestrebungen hilfreich sind. Die bedeutsamste Emanation ist die aus dem Intellekt Gottes hervorgehende Weltseele. Sie ist das belebende Prinzip des Kosmos. Die rituellen Reinigungen und Einweihungen der theurgischen Praxis sollten dem Theurgen die Begegnung mit göttlichen Wesen ermöglichen. Die göttlichen Wesen konnten dem Theurgen, der sich an sie wandte, in einer körperlichen Gestalt erscheinen. Zur Vorbereitung ließ der Theurg meist göttliche Emanationen in sich einströmen. Äußerlich geschah dies beispielsweise durch rituelles Einatmen von Sonnenlicht, denn das Sonnenlicht galt als Manifestation des göttlichen Lichts auf der Ebene des materiellen bzw. sinnlich Wahrnehmbaren. Wichtig waren auch die Anrufungen der Götter mit ihren wahren, geheimen Namen. Dank seiner Kenntnis der wahren Namen erhielt der Theurg Zugang zu den Namensträgern, denn man glaubte, dass im Namen das Wesen des Benannten enthalten sei.


Der Theurgie gegenübergestellt wird die Goëtie, magische Praktiken, die in der Schrift Ars Goetia beschrieben werden. Die Ars Goetia, ist das erste Buch eines Grimoires aus dem 17. Jahrhundert, dem Lemegeton Clavicula Salomonis. Dieses ist in fünf Bücher unterteilt, nämlich dem bereits erwähnten Ars Goetia, des Weiteren dem Ars Theurgia-Goetia, Ars Paulina, Ars Almadel und Ars Notoria. Die Ars Goetia ist darunter das ausschlaggebendste der fünf Bücher, denn es enthält Beschreibungen von 72 Dämonen, die angeblich von König Salomon beschworen wurden. Jedem der Dämonen wird im Buch ein eigener Rang und Adelstitel und ein „persönliches Zeichen“ oder Siegel zugewiesen. Der Begriff Goëtie wird in den Geheimlehren allerdings unterschiedlich definiert. Einerseits als Dämonenbeschwörung, andererseits aber auch als Nekromantie oder Totenbeschwörung. Manchmal wird Goëtie auch mit schwarzer Magie gleichgesetzt.


Eine besondere Form der Anrufung oder Beschwörung von Geistwesen, ist die Praxis der magischen Evokation, das ist die Anrufung von Wesen der uns umgebender Sphären, z. B. Elementarwesen, Götter, Planetenwesen, Engel oder Dämonen. Im Epinomis, einem griechischen Werk aus dem 4. Jh. v. Chr., wird der Kosmos den vier Elementen entsprechend in Sphären eingeteilt, in denen verschiedene Wesen leben. Die Elementarwesen der Luft, die auch als Sylphen bezeichnet werden. Die Elementarwesen des Wassers werden als Nixen und Undinen bezeichnet. Die Elementarwesen des Feuers werden als Salamander bezeichnet. Zu den Elementarwesen der Erde gehören Gnome und Zwerge. Der Gegenbegriff zur Evokation ist die Invokation, wobei ein Geistwesen in den Körper und die Psyche des Magiers hineingerufen wird. Bei der Praxis der Evokation befindet sich der Ausführende des Rituals in einem zuvor gezogenen „Schutzkreis“. Das zu beschwören gedachte Geistwesen soll dazu gebracht werden, sich in ein außerhalb des Kreises befindliches „magisches Dreieck“ zu manifestieren. Zu diesem Zwecke werden überlieferte „magische Siegel“ oder Sigillen oder die Namen des Geistwesens benutzt. Bekannte Vertreter der Evokationspraxis waren unter anderem Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, Aleister Crowley, Franz Bardon, Israel Regardie, Kenneth Grant und Peter James Carroll.


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