Leben nach dem Tod

Die Charvaka-Philosophen glauben, dass der Mensch aus der Erfahrung weder auf Götter noch ein postmortales bzw. ewiges Leben oder Karma schließen könne.  Es ergibt sich dann aber die Frage, was mit den Menschen nach ihrem Tod und vor ihrer Auferstehung geschieht. Diese Zeit wird in der tibetanisch-buddhistischen als auch in der christlichen Theologie als „Zwischenzustand“ bezeichnet, das heißt jener Zeitraum, der sich zwischen Tod und Jüngstem Gericht vollzieht. Dieser Glaubensansatz ist unter Philosophen und auch einigen Theologen umstritten, weil die Zeit-Ewigkeits-Problematik dem entgegensteht. Wer sich mit einem geglaubten Dasein Gottes und der menschlichen Existenz beschäftigt, stößt unweigerlich auf das Problem der Zeit und der Ewigkeit. Für den Begriff der Existenz des Menschen ist nämlich denknotwendig die Zeit eine Voraussetzung und im metaphysischen Existenzbereich des Dasein-Gottes spekulativ der Begriff der Ewigkeit. Vorweg ist festzuhalten, dass Zeit für uns Menschen nur feststellbar ist, wenn Raum, Materie und Bewegung vorhanden sind. Wenn eine dieser Voraussetzungen fehlt, ist keine Zeit festzustellen. Der Begriff der Ewigkeit hingegen ist keine Kategorie, die einer Erkenntnis mittels der menschlichen Sinne zugänglich ist, wie die Zeit. Sie ist ein reines Denkprodukt, das auf zwei spekulativen Ansätzen basiert: Einmal auf der religiösen Vorstellung vom allmächtigen Gott, der im Hinblick auf seine Allmacht keinen Anfang und kein Ende haben darf. Zum anderen auf der Hypothese von der Entstehung der Welt. Gott soll den Kosmos aus dem Nichts geschaffen haben. Wissenschaftlich wird ja vermutet, dass das Universum aus dem Nichts durch den Urknall hervorgebracht wurde. Da ergibt sich die Frage, wo, örtlich und zeitlich, sich der Schöpfer vor dem Entstehungsvorgang befand. Der Philosoph Aristoteles hat eine Antwort versucht. Ausgehend von der Erkenntnis, dass jede Wirkung eine Ursache hat, muss es eine erste, ursachenlose Ursache gegeben haben, den unbewegten Beweger, oder allmächtigen Schöpfer. Wenn von diesem unbewegten Beweger der Kosmos erschaffen wurde, oder anders gesagt mit dem Urknall Raum, Materie und Bewegung/Energie entstand, entstand auch die Zeit. Aber was geschah vor dem Urknall, also vor der Zeit? Der Seinszustand vor dem Urknall muss ein zeitloser gewesen sein, weil, wenn er zeitlich gewesen wäre, notwendigerweise Raum, Materie und Bewegung/Energie vor dem Urknall hätten vorhanden sein müssen. Damit hätte es einen Urknall, der definitionsgemäß aus dem Nichts entsteht, nicht geben können. Den Seinszustand vor dem Urknall, also den zeitlosen Zustand, nennen wir „Ewigkeit“. Hierzu gibt es verschiedene Theorien. Erstens vermuten manche Menschen, dass die Seele bis zur Auferstehung des Leibes in einen bewusstlosen Schwebezustand eintritt. Die römisch-katholische Theologie vertritt die Meinung, dass die Seelen der Gläubigen noch nicht vollständig geläutert seien und daher ins Fegefeuer gehen, um dort Reinigung und Vorbereitung auf den Himmel und die Gegenwart Gottes zu erfahren. Drittens gibt es die Auffassung von der „augenblicklichen Wiederauferstehung“. Nach dieser Glaubensrichtung gibt es keinen Zwischenzustand der körperlosen Existenz. Das Paradoxon der leiblosen Seele hat schon viele Bibelforscher und Theologen beschäftigt. Jesus gebraucht an einigen Stellen das Wort "Seele", so beispielsweise im Evangelium des Matth. 10,28:  Fürchtet Euch nicht vor denen, die wohl den Leib töten können, nicht aber die Seele. In seiner Sprache beinhaltet der Begriff "Seele" den lebendigen Kern des ganzen Menschen, seine leibseelische Ganzheit, das Lebende an sich. Nicht aber bedeutet es einen selbstständigen, getrennten geistigen Teil des Menschen. Die Bibel denkt die Seele des Menschen nicht losgelöst von seiner Leiblichkeit: Das Bild des Menschen ist so sehr von seinem Körper geprägt, dass es ihm nicht möglich ist, ein getrenntes ich ohne enge Bindung an den Leib zu denken. Eine zentrale Botschaft Christi ist aber die Aussage, dass etwas, das Eigentliche des Menschen, nach dessen Tod gerettet werden kann. Dieses "Etwas" ist sicher nicht der Leichnam, der zurückbleibt; Christus deutet eine Bindung an einen neuen Leib an, da er das Bild einer leiblosen Menschenseele nicht vermitteln will. Der Apostel Paulus, Verfasser der Briefe an die Korinther im Neuen Testament, beschreibt mit eindeutigen Worten die Auferweckung der Toten und das ewige Leben der Seelen. Dabei geht es um die Vollendung eines geisterfüllten Leibes (1. Korintherbrief 15,31-50). Im 2. Korintherbrief lehrt er, dass der Christ bei seinem Tode unmittelbar einen Auferstehungsleib empfange. 2. Korinther 5, 1-3: Wir wissen: Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, dann haben wir eine Wohnung von Gott, ein nicht von Menschenhand errichtetes ewiges Haus im Himmel. Im gegenwärtigen Zustand seufzen wir und sehnen uns danach, mit dem himmlischen Haus überkleidet zu werden. So bekleidet, werden wir nicht nackt erscheinen. Diese Vorstellung ist umstritten, denn sie basiert auf der Annahme, dass der Mensch unbedingt einen Körper brauche, weil er sonst aufhöre zu existieren. Viertens gibt es noch eine spezielle Sichtweise des Zwischenzustandes, die darin besteht, dass die entleibten Seelen der Gläubigen bei Christus sind. 2. Korinther 5, 8:  Weil wir aber zuversichtlich sind, ziehen wir es vor, aus dem Leib auszuwandern und daheim beim Herrn zu sein. Dort warten sie darauf, dass sie bei seiner Wiederkehr einen Auferstehungsleib erhalten. Wer dagegen fern von Christus stirbt, fährt unmittelbar zur Hölle. So Luk. 16, 23-25:  In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von Weitem Abraham, und Lazarus in seinem Schoß. Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und schick Lazarus zu mir; er soll wenigstens die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer. Abraham erwiderte: Mein Kind, denk daran, dass Du schon zu Lebzeiten Deinen Anteil am Guten erhalten hast, Lazarus aber nur Schlechtes. Jetzt wird er dafür getröstet, Du aber musst leiden. Und erwartet dort die Auferstehung zum Gericht. Joh. 5, 28-29:  Wundert Euch nicht darüber! Die Stunde kommt, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und herauskommen werden: Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, zum Gericht. So auch Matth. 25, 46:  Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.


Eine weitere Frage, die sich stellt, ist die nach der Identität zwischen der verstorbenen und der auferstandenen Person. Die Vorstellung, dass eine Person unabhängig von ihrem Körper existieren könnte, d. h. dass es eine immaterielle Seele gibt, ist unter Theologen strittig. Es überwiegt die Vorstellung, dass es entweder gar kein Leben nach dem Tod gibt, oder Gott muss die Seele bei der Auferstehung wieder neu erschaffen; eine körperlose Existenz, jedenfalls erscheint unmöglich. Daraus erhebt sich dann die Frage nach der persönlichen Identität und danach, wer eigentlich von den Toten auferweckt wird, nachdem eine Person gestorben ist. Die Bibel ist hierzu unmissverständlich, sie spricht ganz eindeutig über die Identität zwischen der verstorbenen Person einerseits und der nachfolgend wieder auferweckten Person andererseits: Sie sind identisch und er/sie ist noch dieselbe Person. Körperlichkeit oder Physis sind keine wesentliche Voraussetzung für Personhaftigkeit. Die Seele/Person überdauert den Tod und erwartet als solche die Auferstehung, bei der sie einen verherrlichten Leib empfangen wird.


Ganz anders und wesentlich vielschichtiger wird die Frage nach der Natur und Beziehung von Körper und Seele oder auch von Materie und Geist von der Philosophie beantwortet. Es gibt zwei fundamentale Richtungen: Den psychophysischen Monismus und den psychophysischen Dualismus. Letzterem zufolge sind Körper bzw. Gehirn und Geist zwei verschiedene Substanzen: Dem materiellen Gehirn steht der Geist als immaterielle Substanz gegenüber. Das wie wird unterschiedlich erklärt: Dem Interaktionismus zufolge (R. Descartes, K. R. Popper, J. C. Eccles, H. von Ditfurth) stehen Geist und Gehirn in Wechselwirkung miteinander, d.h., der Geist wirkt auf das Gehirn und umgekehrt. Der Epiphänomenalismus wiederum (K. Vogt, T. H. Huxley) nimmt an, das Gehirn produziere oder verursache den Geist bzw. wirke auf ihn ein, aber nicht umgekehrt. Dem Animismus (Platon, Augustinus) zufolge wirkt zwar der Geist auf das Gehirn bzw. den Körper ein oder kontrolliert ihn, aber nicht umgekehrt. Und schließlich sind da noch die Vertreter des Parallelismus (G.W. von Leibniz, W. Wundt). Diese nehmen an, dass geistige und Gehirnprozesse parallel bzw. synchron ablaufen (z.B. von Gott aufeinander abgestimmt), ohne jedoch miteinander zu interagieren. Dem gegenübersteht die Vorstellung, des psychophysischen Monismus. Danach gibt es nur eine Substanz, nämlich entweder den Geist (=Spiritualismus) oder die Materie (=Materialismus) oder eine unbekannte neutrale Substanz, die sich sowohl als Geist als auch Materie manifestieren kann (neutraler Monismus, wie ihn der Philosoph Spinoza sieht). Ein neuerer Erklärungsversuch des Leib-Seele-Problems, der Funktionalismus, lehnt sowohl Dualismus wie Monismus ab. Die Vertreter dieser Theorie (Putnam, Fodor, Dennett) gehen davon aus, Geist und Bewusstsein sind eine Funktion, Aktivität des Gehirns, so wie Atmung eine Funktion der Lunge ist. Geist ist danach identisch mit dem, was spezifische neuronale Systeme (vor allem des Neocortex) im Gehirn tun. Diese Vorstellung wird emergentistische Identitätstheorie genannt. Geist und Bewusstsein sind keine eigenen Substanzen, sondern Eigenschaften komplexer neuronaler Systeme – vergleichbar mit Leben, das auch keine eigene Substanz, sondern eine emergente (Emergen) oder Systemeigenschaft bestimmter komplexer Chemosysteme ist. Der Philosoph J. Searle interpretiert die Identitätstheorie in der Form, dass Geist oder Bewusstsein aus den neuronalen Prozessen selbst, die das menschliche Erleben und Denken ausmachen, hervorgeht. Dass, diese Prozesse die eigentliche Ursache für Geist oder Bewusstsein sind. Das wiederum würde aber bedeuten, dass Geist eben doch eine Art separater Stoff ist, der vom Gehirn produziert wird und dann neben diesem existiert. Die emergentistische Identitätstheorie steht somit im Einklang mit der Neurobiologie und mit der Evolutionsbiologie, denn wenn geistige und Bewusstseinsprozesse lediglich Gehirnfunktionen sind, dann können sie wie andere biologische Funktionen auch zusammen mit den entsprechenden Organen entstehen.


Die wahre Natur der Wechselwirkung zwischen Geist und Gehirn bleibt aber letztlich unbekannt. Es gibt auch keine Theorie der Wechselwirkung zwischen immateriellen und materiellen Gegenständen. Eine solche Wechselwirkung würde auch den Energieerhaltungssatz verletzen: Um z.B. auf ein neuronales System einzuwirken, müsste Energie aus dem Nichts produziert werden, und bei der Rückwirkung auf den immateriellen Geist würde Energie verschwinden.


Die meisten Religionen setzen auch weiterhin dualistische Vorstellungen voraus. Der Interaktionismus, wie ihn Descartes vertritt, ist dabei die häufigste Vorstellung, wie Seele oder Geist und Körper mit- bzw. untereinander agieren.


Der Koran sagt, dass jeder einmal den Tod erleiden wird, macht jedoch nur wenige Angaben zum Zeitraum, der sich zwischen dem individuellen Tod und der Endzeit erstreckt. Nach den Anzeichen der „letzten Stunde“ und der Vernichtung aller Geschöpfe findet am jüngsten Tag die Auferstehung und Aburteilung der Menschen statt. Zu diesen Anzeichen, gehören das Blasen der Trompete (Sure 18:99); die Auferweckung im Grab (Sure 30:56); das Entsteigen der Toten aus der Erde (Sure 50:44); das Aufstellen der Waage (Sure 55:7) und die „Abrechnung“ (Sure 13:18). Am Jüngsten Tag entsteigen die Menschen aus dem Grabund werden zum Jüngsten Gericht aufgeboten, das nach einigen Quellen in Jerusalem stattfinden soll.


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