Geheimnisvolle Riesen

Der Riesenkalmar (Architeuthis dux) gehört zur Klasse der Kopffüßer (Cephalopoda), Familie: Riesenkalmare und  Gattung:  Riesenkalmare.  Der wissenschaftliche Name der Familie lautet Architheutis, das bedeutet Ur-Kalmar. Er ist weltweit verbreitet, lebt wahrscheinlich aber  in einer Tiefe von über 300 Metern, nach anderen Angaben 500 bis 1000 Meter, weswegen man ihn auch selten zu Gesicht bekommt. Ein Wesen mit 10 überdimensionalen Fangarme, davon acht relativ kurze und zwei extrem lange, die zu Tentakeln umgebildet sind.  Die normalen Fangarme erreichen eine Länge von bis zu drei Metern. Von Architheutis sind auch schon Exemplare mit zehn Meter langen Tentakeln gefunden worden. Die Arme sind mit riesigen Saugnäpfen bestückt. Sie können einen Durchmesser von etwa 5,2 Zentimetern erreichen.   Jeder Arm wird von einem eigenen Nervenzentrum angesteuert. Insgesamt hat der Riesenkalmar also neun Gehirne und übrigens auch drei Herzen!

 Das arterielle Herz verteilt das Blut im Körper, zwei zusätzliche Kiemenherzen sorgen für eine erhöhte Durchflussrate der Kiemen. Sein Blut ist blau.  Die normalen Fangarme des Riesen erreichen eine Länge von bis zu drei Metern. Von Architheutis sind aber auch schon Exemplare mit zehn Meter langen Tentakeln gefunden worden. Riesenkalmare werden drei bis fünf Jahre alt und gehören damit wahrscheinlich zu den langlebigsten Vertretern der Kopffüßer. Er kann wie viele Tintenfische durch in der Haut liegende Chromatophoren aktiv seine Farbe ändern. Der Riesenkalmar besitzt wie viele Tintenfische ebenfalls einen Tintenbeutel. Mit einem Unterschied. Die ausgestoßene Tinte bildet  nicht, wie bei anderen Tintenfischen, beim Ausstoßen eine Wolke, sondern ein zusammenhängendes Gebilde, von dem man annimmt, dass es als Täuschkörper einen angreifenden Räuber verwirren und ablenken soll. Der Riesenkalmar kann Wasser in die Mantelhöhle des Rumpfes einsaugen und dieses in einem konzentrierten Wasserstrahl durch einen sehr beweglichen Trichter ausstoßen. Er erreicht dadurch hohe Schwimmgeschwindigkeit und eine gute Manövrierfähigkeit. Einziger Fressfeind  des Riesenkalmars sind Pottwale. Walfängern war aufgefallen, dass einige Pottwale  Narben aufwiesen, die offenbar von riesigen Saugnäpfen stammten. Man konnte sich früher nicht erklären, woher diese Saugnapf-Abdrücke auf den Körpern der Wale kommen. Jetzt weiß man, dass sie sich der Tiefe Kämpfe mit Riesenkalmaren liefern, die offenbar einen Großteil ihrer Nahrung ausmachen. Forscher versuchen seit Jahrzehnten, lebende Riesenkalmare zu entdecken, doch die größten bekannten wirbellosen Tiere der Welt sind schwierig zu finden. Ein lebendes Exemplar von Architheutis hatte bis vor einigen Jahren noch niemand zu Gesicht bekommen. Japanischen Forschern gelangen 2004, mit einer ferngesteuerten Kamera erstmals Bilder eines lebenden Riesenkalmars aufzunehmen. Gefangen werden konnte der Riese aber leider nicht. Der Riesenkalmar  ist weltweit verbreitet. Er wird oft als Riesenkrake bezeichnet, was falsch ist. Die geheimnisvollen Riesen aus der Tiefe sind  nämlich keine Kraken, sondern eben Kalmare. Kraken besitzen nur acht Arme, Kalmare zusätzlich noch zwei längere Fangarme, insgesamt also zehn.


Der Riesenkalmar war schon immer Stoff für Mythen und Legenden. Der römische Gelehrte Plinius der Ältere berichtet im Jahr 55 nach Christus von einem "Polypen" mit riesigen Augen, dessen Arme wie "verknotete Keulen" aussehen. Architheutis besitzt mit bis zu 25 Zentimetern Durchmesser tatsächlich die größten Augen des Tierreichs. Der schwedische Geistliche Olaus Magnus berichtete 1500 Jahre später von einem "monströsen Fisch", der Schiffe in die Tiefe ziehen kann.

Ein anderer Exot der See ist der Pazifische Riesenkrake (Enteroctopus dofleini). Er wird als größter Krake angesehen und lebt in der Nähe der Küsten des nordwestlichen Pazifiks, meist auf nicht felsigem Untergrund. Erwachsene Kraken erreichen häufig ein Gewicht von 23 bis 40 kg, wobei die größten Exemplare bis zu 270 kg schwer werden können. Mit ausgespreizten Armen können sie eine Kreisfläche von etwa 9,50 m Durchmesser abtasten. Durch die Steuerung kleiner Pigmentzellen in seiner Haut und  Muskelkontraktionen ist er wie jede Krakenart in der Lage, die Farbe, Musterung und Struktur seiner Hautoberfläche zu ändern, was ihn mit Umgebung optisch verschmelzen lässt. Der pazifische Riesenkrake  frisst gewöhnlich Garnelen, Krabben, Muscheln und Fisch und wird selber von Seehunden,  Seeottern oder Pottwalen gefressen. Der Pazifische Riesenkrake gilt als sehr intelligent. Er kann Menschen wiedererkennen und das Verhalten anderer Kraken nachahmen. Auch ihm gestellte schwierige  Aufgaben löst er locker. Wie etwa das Öffnen eines Glasdeckels, um an Nahrung als Belohnung zu gelangen. Für ein Tier seiner Größe hat der Riese aber nur eine mittlere Lebensdauer von drei bis fünf Jahren.  Oktopusweibchen pflanzen sich auch nur einmal in ihrem Leben sexuell fort. Sie betreiben Brutpflege, halten ihren Laich, der aus bis zu 100.000 Eiern besteht, von Algen frei und schützen ihn vor Fressfeinden. Während der Brutpflege nehmen sie keine Nahrung auf und sterben nach deren Abschluss. Die Jungtiere schlüpfen nach etwa sechs Monaten, überleben aber nur selten. Die wenigsten erreichen das Erwachsenenalter.

Bisher war unklar, wann in der Evolution die typischen Schlafphasen entstanden sind.  Eine Studie mit Zebrafischen belegt jetzt, dass obwohl diese Fische keine Großhirnrinde besitzen und deutlich primitiver als die Landwirbeltiere sind, dass auch sie den charakteristischen Wechsel von Tiefschlaf und einer Traumschlaf-ähnlichen Schlafphase durchleben. Daraus folgt auch , dass Schlaf sich schon lange vor der Entstehung von Gehirnen entwickelte. Er könnte schon vor 450 Millionen Jahren entstanden sein und damit noch bevor die Tiere das Land eroberten. Auch der Riesenkrake hat aktive und passive Schlafphasen, die sich periodisch abwechseln – ähnlich wie bei Menschen. Man nimmt sogar an, dass Kraken während der aktiven Schlafphasen träumen. Der Riesenkrake ist ein faszinierendes ,aber auch rätselhaftes Tier, das immer noch relativ unbekannt ist. 2018 erkundete das Tauchboot Alvin felsige Abhänge in 1,2 Meilen (ca. 2 km) Tiefe, 150 Meilen (ca. 241 km) vor der Küste Costa Ricas und traf dort auf eine Sensation: eine große Kraken-Kinderstube! Hunderte von brütenden Kraken-Müttern saßen in der Tiefe dicht nebeneinander. Dieses gemeinsame Brüten gibt den Biologen bis heute viele Rätsel auf.  Oktopoden, Kraken und Kalmare sind so bizarr, als wären sie Wesen von einem anderen Stern. Trotz des komplett anderen Körperbaus gibt es Gemeinsamkeiten mit Menschen und anderen Wirbeltieren: z. B. ein Kurz- und Langzeitgedächtnis, Schlaf, das spielerische Erkunden von Gegenständen und die Fähigkeit, Individuen einer anderen Spezies zu erkennen.  Ein  auf Hawaii verbreiteter Volksglaube besagt, der Oktopus sei das Überbleibsel einer Welt, die vor der heutigen existiert hat.

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