Das Voynich-Manuskript

Es trägt den Titel geheimnisvollstes Buch der Welt, das Voynich Manuskript. Das Buch, das noch nie jemand lesen konnte. An diesem Buch ist tatsächlich alles unbekannt: Sprache, Bilder, Inhalt, Autor, Entstehungszeit und -ort. Das Voynich-Manuskript wurde 1912 von dem US-amerikanischen Büchersammler und Antiquar Wilfrid Michael Voynich entdeckt und ist auch nach ihm benannt worden. Das Manuskript ist in Pergament gebunden und enthält einen bisher nicht entzifferten Text in unbekannter Sprache sowie botanische, anatomische und astronomische Zeichnungen, die wahrscheinlich auch eine eigene spezielle Bedeutung haben. Der Text insgesamt umfasst etwa 170.000 einzelne Glyphen und etwa 35.000 Wörter, deren einzelne Bedeutung trotz zahlreicher Entschlüsselungsversuche auch heute noch rätselhaft ist. Was genau darin steht, weiß bis heute niemand. Code-Experten, Historiker und Kryptologen bissen sich an dem Manuskript bisher die Zähne aus. Durch das ganze Buch ziehen sich Abbildungen von Schlössern, Drachen, Rosetten, Planeten und nackte Menschen. Eine Illustration zeigt Dutzende nackter Frauen, die in miteinander verbundenen Becken in einer grünen Flüssigkeit baden. Des Weiteren enthält es über 300 detailliert gezeichnete Pflanzen sowie einige astrologische Abbildungen der Tierkreiszeichen.


Die gezeichneten Pflanzenarten sind jedoch nicht bekannt, auch die aufgezeichneten Tierkreiszeichen zeigen einige Besonderheiten. So beginnt die Sternzeichenfolge mit dem Sternzeichen Fische, anstatt mit dem Widder. Doch dafür gibt es eine plausible Erklärung:


Der Beginn der zwölf Tierkreiszeichen, jeweils 30°-Abschnitte, bei 0° des Tierkreiszeichens Widder auf der Ekliptik wird durch den Frühlingspunkt (Schnittpunkt des Himmelsäquators mit dem Tierkreis, an dem die Sonne zum Frühlingsanfang der Nordhalbkugel (= Herbstanfang der Südhalbkugel steht)) markiert. Die Eintrittsdaten der Jahreszeiten und die damit verbundenen Positionen der Erde auf ihrer Umlaufbahn ändern sich jedoch. Dieses Präzession genannte Phänomen äußert sich durch das Fortschreiten des Frühlingspunkts entlang der Ekliptik. Infolge der Präzession befindet sich der Frühlingspunkt schon seit zwei Jahrtausenden nicht mehr im Sternzeichen Widder, sondern im Sternzeichen Fische.


Spekuliert wird über ein Lehrbuch der Heilpflanzen und der Bäderkunde, oder ein Handbuch der Alchemie. Einige Forscher vertreten die Meinung, dass das Voynich-Manuskript aus Mexiko stammt und in der Aztekensprache Nahuati verfasst ist. Als Beleg dafür wird angeführt, dass 37 der über 300 abgebildeten Pflanzen angeblich sehr starke Ähnlichkeit mit Pflanzenarten aus Mittelamerika besitzen. Andere Wissenschaftler wiederum gehen davon aus, dass das Voynich-Manuskript in einer Geheimsprache geschrieben wurde, die bis heute nicht dechiffriert werden konnte. Das Voynich-Manuskript wurde in Form eines Kodex erstellt und bestand ursprünglich aus 116 Blättern, von denen 14 verloren gegangen sind. Durch Zusammenführung ähnlicher Illustrationen konnte es in 6 verschiedene Sektionen unterteilt werden:


  1. „Kräuterkundliche“ Sektion (f. 1r–66v)
  2. „Astronomische“ Sektion (f. 67r–73v)
  3. „Anatomisch-balneologische“ Sektion (f. 75r–84v)
  4. „Kosmologische“ Sektion (f. 85r–86v)
  5. „Pharmazeutische“ Sektion (f. 87r–102v)
  6. „Rezepte“ und „Schlüssel“ (f. 103r–116v)

 

Wer hat das Manuskript geschrieben und was enthält es? Die enthaltenen Illustrationen erinnern an Arbeiten von Nostradamus (* 1503 ; † 1566). Hat er das verschlüsselte Werk verfasst? Sicher ist jedenfalls, dass auch Nostradamus von der Anatomie des Menschen, Geburtsvorgängen, Heilpflanzen und Sternen fasziniert war. Inhalte, die anscheinend auch im Voynich Manuskript zu finden sind. Doch die  passen nicht ganz zu den Geburtsdaten von Nostradamus. Das Alter des verwendeten Pergaments für das Manuskript konnte mithilfe einer Radiokarbon Analyse auf den Zeitraum zwischen 1404 und 1438 bestimmt werden. Nostradamus wurde aber erst später im Jahr 1503 geboren. Man kann wohl davon ausgehen, dass der Inhalt eine außerordentliche Bedeutung haben muss, denn niemand verschlüsselt im 13. Jahrhundert grundlos einen Text so akribisch und komplex, wie im Fall des Voynich-Manuskripts. Um dem Rätsel auf die Spur zu kommen, ist die Geschichte des Manuskripts zu analysieren. Aus einem mit dem Manuskript gefundenen Brief des böhmischen Naturwissenschaftlers Johannes Marcus Marci de Cronland, Anhänger der Schule des Paracelsus, geht hervor, dass nach 1608 sich das Manuskript im Besitz von Rudolf II, Kaiser des Heiligen Römischen Reichs befand. Dieser hatte es von einem unbekannten Händler für die damals horrende Summe von 600 Dukaten erworben, was allein schon den Wert des Manuskripts deutlich macht. Rudolf ging wahrscheinlich davon aus , dass das Manuskript alchemistische Geheimnisse enthielt. Er war ja für seine Vorliebe für Astrologie, Alchemie und andere okkulten Praktiken bekannt. Mit der Entschlüsselung der Geheimschrift beauftragte Rudolf wohl den böhmischen Pharmazeuten und Chemiker Jakub Horčický Tepence, was sich aus dessen eigenhändigem Namenseintrag auf der ersten Seite des Manuskripts schließen lässt. Die Entschlüsselung misslang jedoch. Der nächste bekannte Besitzer war nach dem zusammen mit dem Manuskript gefundenen Brief ein relativ unbekannter Alchemist namens Georg Baresch, der die Geheimschrift aber ebenfalls nicht entschlüsseln konnte. Baresch bat daraufhin den jesuitischen Universalgelehrten Athanasius Kircher um Hilfe und überließ ihm eine Kopie des Manuskripts. Kircher nahm gegenüber der in der Alchemie behaupteten Möglichkeit der Transmutation von Metallen jedoch eine kritische Haltung ein, schloss diese aber nicht völlig aus. Da Kircher anhand der Kopie vermutlich eine Entschlüsselung nicht möglich war, überließ Baresch im Jahr 1666 das Manuskript seinem Freund Johannes Marcus Marci de Cronland, dem Verfasser des Begleitbriefes. Auch er wandte sich mit der Bitte um Entschlüsselung an Kircher. Dieser bestand aber diesmal auf dem Original Manuskript. Über eine Entschlüsselung ist nichts bekannt geworden. In den Folgejahren gelangte das Manuskript zusammen mit dem Nachlass Kirchers in den Besitz des jesuitischen Mandragoneordens, wo es Wilfrid Michael Voynich dann im Jahr 1912 entdeckte und erwarb. Voynich hielt Roger Bacon für den Autor des Manuskripts. Später sei der englische Mathematiker und Mystiker John Dee in den Besitz der Handschrift gelangt. Dieser habe das Manuskript dann an Rudolf II. verkauft. Zu dieser Schlussfolgerung war Voynich gekommen, weil Dee eine Sammlung von Schriften Bacons besaß und sich zusammen mit dem befreundeten Spiritisten Edward Kelley in den 1580er-Jahren am Hof Rudolfs II. aufgehalten hatte. Voynich selbst hat nie versucht, das Manuskript zu entschlüsseln. Er verschickte vielmehr ab 1919 Kopien des Manuskripts an verschiedene Fachleute, unter anderem an William Romaine Newbold, welcher Dozent für Philosophie an der University of Pennsylvania in Philadelphia war. Auf der letzten Seite des Manuskripts fand Newbold einen sogenannten Schlüssel. Dieser bestand aus einem dreizeiligen Text, bestehend aus Zeichen, die einem im 15. Jahrhundert in Deutschland verwendeten Schrifttyp ähneln und enthielt angeblich den Namen Roger Bacons in Form eines Anagramms. Newbold starb 1926, bevor ihm die vollständige Entschlüsselung des Manuskripts gelang. Alle Versuche seither, die Geheimschrift zu entziffern, blieben bis auf einige wenige Teilerfolge erfolglos. Das Manuskript befindet sich heute im Bestand der Beinecke Rare Bookand Manuscript Library der Yale University.

Der britische Linguist Gerard Cheshire der Universität Bristol behauptet nun, es sei ihm in nur zwei Wochen gelungen, das Voynich-Manuskript zu entschlüsseln. Bei der Sprache soll es sich um Protoromanisch (Vulgärlatein oder Volkslatein) handeln. Die Sprache ist ausgestorben, gilt aber als Vorläufer moderner romanischer Sprachen wie Portugiesisch, Spanisch, Französisch oder Italienisch. Vom Inhalt her, soll es sich um eine Art Lehrbuch über pflanzliche Heilmittel, therapeutisches Baden und astrologische Zusammenhänge handeln. Die Autorin des Manuskripts soll eine Nonne aus einem Dominikanerkloster gewesen sein, die die Aufzeichnungen für die Frauen am Hof von Maria von Kastilien, der Königin von Aragon, erstellt habe. Als Indiz für seine Behauptung führt Cheshire unter anderem die Zeichnungen der badenden Frauen an. Auf einer Karte soll zudem eine Rettungsmission – angeführt von Maria von Aragon (1403–1445) – dargestellt sein, die die Opfer eines Vulkanausbruchs im Jahr 1444 zeigt. Aus diesem Jahr ist tatsächlich eine Eruption des Ätna bekannt. Verschiedene Forscher bestreiten die Ausführungen Cheshires. Sie glauben nicht, dass es sich bei der Sprache um Protoromanisch handelt. Es kann also weiter gerätselt werden.

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