Der Gesang der Wale

Das Sehvermögen ist unter Wasser aufgrund der hohen Lichtabsorption stark beeinträchtigt. Das gilt ebenso für den Geruchssinn, der aufgrund der relativ langsamen Verteilung von Stoffen im Wasser ebenfalls stark beeinträchtigt ist. Meeressäuger wie die Wale benutzen daher in hohem Maße eine akustische Kommunikation. Die Art der Kommunikation unter den Walen wird als Walgesang bezeichnet. Diese Bezeichnung wurde von Walforschern gewählt, da eine Reihe von Walen, vor allem die Bartenwale, mit vorhersehbaren, sich wiederholenden Strophen kommuniziert. Der Gesang ist vergleichbar mit dem der Vögel oder auch mit dem menschlichen Gesang. Die Bedeutung der Walgesänge konnte bisher nicht eindeutig entschlüsselt werden. Die Forscher sind auf Vermutungen angewiesen.


Wale erzeugen Töne aber auf einem vollständig anderem Weg, wobei sie sich die Tonbildung bei den beiden Hauptgruppen der Wale, den Barten- und den Zahnwalen, nochmals deutlich unterscheidet. Das Tonspektrum der Zahnwale besteht vor allem aus kurzen, hochfrequenten Klick- und Pfeiftönen. Einzelne Klicklaute werden meistens zur Echoortung, Tonfolgen dagegen zur Kommunikation benutzt. Bei Zahnwalen kommen aber die lang anhaltenden Tonfolgen, also der klassische Walgesang nicht vor. Die einzelnen Töne selbst entstehen bei der Passage von Luft durch eine spezielle Raumstruktur im Kopf, die den menschlichen Nasenhöhlen entspricht und als phonic lips bezeichnet wird. Die phonic lips liegen zwischen mehreren Luftsäcken, in denen die Luft gespeichert wird. Sie sind doppelt vorhanden, weshalb Zahnwale unabhängig voneinander zur selben Zeit zwei Töne produzieren können. Bartenwale erzeugen Töne auf ganz andere Weise. Sie haben keine phonic lips, dafür aber einen Kehlkopf, jedoch ohne Stimmbänder. Der genaue Mechanismus der Tonbildung ist aber bis heute ungeklärt. Den oben erwähnten strophenhaften Walgesang beherrschen nur die Buckelwale. Männliche Buckelwale singen ausschließlich zur Paarungszeit. Das führte zu der Annahme, der Strophengesang diene der Partnersuche. Ungeklärt ist, ob der Gesang Rivalen abhalten (akustischer Rivalenkampf) oder imponierend gegenüber den Weibchen wirken soll. Die Töne sind hierarchisch aufgebaut, wobei die Grundeinheiten des Gesangs aus einzelnen, ununterbrochenen Tonfolgen, die mehrere Sekunden andauern, besteht. Vier bis sechs dieser Grundeinheiten bilden eine Teilstrophe, zwei Teilstrophen wiederum stellen eine Strophe dar. Dieselbe Strophe wiederholt ein Wal im Normalfall ständig über eine Zeitspanne von zwei bis vier Minuten. Mehrere Strophen in Folge ergeben den „Gesang“, der etwa 20 Minuten andauern kann. Derselbe „Gesang“ wird über mehrere Stunden oder sogar Tage immer wieder gesungen. Walgesang entwickelt sich im Laufe der Zeit. Es gibt Jahre, in denen die Wale ständig ihre Gesänge variieren, während sie in anderen Jahren über längere Zeit hinweg konstant bleiben. Buckelwale, die in den gleichen Regionen leben, haben meistens verwandte Gesänge, mit teilweise nur einfachen Unterschieden. Wale, die in geografisch vollständig getrennten Gebieten leben, wiederum haben sehr unterschiedliche Gesänge.


Die meisten anderen Wale produzieren Töne von unterschiedlicher Komplexität. Insbesondere der Weißwal zeichnet sich durch ein immenses Spektrum an Tönen aus. Der Gesang einer der seltensten Walarten, der des Pazifischen Nordkapers, einem Wal aus der Gattung der Glattwale besteht aus einer Vielfalt verschiedenster Geräusche. Sie machen trillernde Sounds, stöhnen oder geben Aufschreie von sich. Die überwiegende Kommunikation erfolgt aber durch einen Ausruf. Erst wenn die verschiedenen Geräusche rhythmisch ablaufen, wird von einem Walgesang gesprochen. Grönlandwale wiederum erzeugen Gesänge von hoher Variabilität besonders in den Monaten April bis November, dann aber 24 Stunden pro Tag. Mittlerweile konnten 184 unterschiedliche Gesänge identifiziert werden.


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