Dunkle Materie

Dunkle Materie wurde bisher noch nicht nachgewiesen, doch es gibt gewichtige Indizien für ihre Existenz. Die Umlaufgeschwindigkeit der Sterne müsste mit wachsendem Abstand vom Galaxiezentrum, um das sie rotieren, abnehmen, da die sichtbare Materie innen konzentriert ist. Diese Schlussfolgerung ist eine Ableitung aus dem Dritten Keplerschen Gesetz und dem Gravitationsgesetz. Messungen der Doppler-Verschiebung zeigen jedoch, dass die Umlaufgeschwindigkeit der Sterne konstant bleibt oder sogar ansteigt, was mit einer dort vorhandenen nicht sichtbaren Masse, der dunklen Materie erklärt wird. Die Zusammensetzung dunkler Materie ist bisher unbekannt, es gibt aber verschiedene Theorien:


Baryonische Dunkle Materie:


  1. Kaltes Gas: heiße Gase emittieren immer sichtbare Strahlung, daher könnte eine Erklärung für Dunkle Materie "kaltes Gas" sein. Dagegen spricht, dass sich kaltes Gas (unter bestimmten Umständen) erwärmen kann und damit sichtbar wird.
  2. Kalte Staubwolken: diese würden aber das Licht von Sternen reemittieren und somit im Infrarotbereich sichtbar sein.
  3. Braune Zwerge (Machos): Himmelskörper, die weder Sterne noch Planeten sind. Ihr Innendruck ist so gering, mit der Folge, dass statt Wasserstoff- nur eine Deuteriumfusion stattfindet, wodurch Machos im sichtbaren Spektrum nicht leuchten. Nur wenn ein Macho genau vor einem Stern steht, verstärkt er als Gravitationslinse dessen Strahlung, ein Phänomen, das zwischen Erde und der Großen Magellansche Wolke bereits beobachtet wurde. Nach heutiger Meinung machen Machos  jedoch allenfalls einen kleinen Teil der Dunklen Materie aus.


Nichtbaryonische Dunkle Materie:


  1. Anapole Majorana-Fermionen: Danach sind sogenannte Majorana-Fermionen (= Teilchen mit halbzahligem Spin (Fermionen), deren Antiteilchen die gleichen Eigenschaften haben wie die Teilchen selbst.) Träger der Dunklen Materie. Allerdings ist im Standardmodell der Teilchenphysik keines der Elementarteilchen ein Majorana-Fermion.
  2. Heiße Dunkle Materie (HDM): die Theorie ist aufgrund des erwiesenen, hierarchischen Strukturierungsprozess im Universum, dem sogenannten Bottom-up-Szenario umstritten, sodass heiße dunkle Materie, wenn überhaupt, allenfalls nur einen kleinen Teil der gesamten Dunklen Materie ausmachen kann.
  3. Neutrinos: Allerdings ist deren maximale Masse nach heutiger Meinung nicht ausreichend, um Dunkle Materie ausreichend zu erklären.
  4. Kalte Dunkle Materie (CDM): damit sind allerdings noch nicht beobachtete, schwach wechselwirkende massive Elementarteilchen ( WIMPs) gemeint, die nur der Gravitation und der schwachen Wechselwirkung unterliegen. WIMPs lassen sich im Gegensatz zur heißen dunklen Materie mit einer hierarchischen Entstehung des Universums vereinbaren.
  5. Axionen: hypothetische Teilchen einer Quantenfeldtheorie (Quantenchromodynamik) zur Beschreibung der starken Wechselwirkung. Seit den 90er-Jahren wird mithilfe diverser Experimente (z. B. „Licht durch die Wand“-Experiment) und verschiedener Methoden ( Helioskope, kristalline Detektoren, etc.) versucht, die bisher nur postulierten Axionen nachzuweisen.


Nach neuesten Erkenntnissen enthalten größere Kugelsternhaufen (über 1 Mio. Sonnenmassen), z. B. der Kugelsternhaufen M 15 überwiegend Dunkle Materie. M 15 hat außerdem ein 4.000 Sonnenmassen schweres Schwarzes Loch im Kern. Ein internationales Team von Astronomen hat in jüngster Vergangenheit eine weitere Galaxie mit dunkler Materie entdeckt. Die Galaxie namens Dragonfly 44 im Sternbild Haar der Berenike enthält fast keine Sterne und besteht zu 99,99 Prozent aus der mysteriösen Dunklen Materie, Nur 0,01 Prozent sind leuchtende Sterne. Die Entdeckung gelang mit dem auf Hawaii stehenden W. M. Keck Observatorium. Zuvor hatten die Astronomen bereits Zwerggalaxien mit wesentlich weniger Masse als DF 44 gesichtet, die aber einen ähnlich hohen Anteil Dunkler Materie besitzen. 


Die Existenz von dunkler Energie konnte bisher experimentell nicht direkt nachgewiesen werden. Die Dunkle Energie wird als Ursache der Inflation in der frühen Phase des Universums gesehen. In den gängigen wissenschaftlichen Modellen besteht das Universum zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ca. 13,8 Milliarden Jahre nach dem Urknall, zu 72 % aus Dunkler Energie, 23 % aus Dunkler Materie und zu 4,6 % aus der sichtbaren, baryonischen Materie. In der Frühzeit des Universums, zum Zeitpunkt der Entkopplung der Materie von der Hintergrundstrahlung, war die Zusammensetzung noch wesentlich anders. Das Universum bestand damals aus 63 % Dunkler Materie, 10 % Neutrinos, 15 % Photonen und zu 12 % aus der baryonischen Materie.


Das Konzept der dunklen Energie wurde von dem US-amerikanischen Astrophysiker Michael Turner entwickelt, um damit die beobachtete Expansion des Universums zu erklären. Die Quantenfeldtheorie interpretiert die dunkle Energie als Vakuumenergie, die der Gravitation der im Universum enthaltenen Materie entgegenwirkt. Eine andere Theorie sieht in der Dunklen Energie die Wirkung eines Skalarfeldes, dessen Fluktuationen sich fast mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Mit dem vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik entwickelten Messinstrument eROSITA, das am 13. Juli 2019 im russischen Satelliten Spektr-RG (siehe Bild) mit einer Proton-Rakete in den Weltraum gebracht wurde, hoffen die Wissenschaftler, die Natur der Dunklen Energie endgültig zu enträtseln. Spektr-RG wurde in einem Halo-Orbit um den Lagrange-Punkt L2 des Erde-Sonne-Systems positioniert, von wo aus eROSITA innerhalb von vier Jahren achtmal den gesamten Himmel durchmustern soll. Aus der ersten vollständigen Durchmusterung wurde eine Karte mit ca. einer Million Röntgenobjekten erstellt. eROSITA untersucht innerhalb von vier Jahren achtmal das Universum im mittleren Röntgenbereich bis 10 keV in spektraler und räumlicher Auflösung, was ein absolutes Novum ist. Weiteres wissenschaftliches Ziel ist der systematische Nachweis von schwarzen Löchern in nahen Galaxien.


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