Die Stadt des Affengottes

Zum ersten Mal wird die Ciudad Blanca, also die Weiße Stadt im Urwald von La Mosquitia von dem spanischen Konquistador Hernán Cortés erwähnt, der 1526 an der Nordküste Honduras aus eigentlich nach der Sagenstadt Hueitapalan suchte, in der er das berühmte El Dorado vermutete. Seit vielen Jahrhunderten hält sich eine faszinierende Legende, dass tief in der undurchdringlichen Wildnis eine geheimnisvolle Stadt aus weißem Stein versteckt liege. Die Weiße Stadt, die auch die »Stadt des Affengottes« genannt wird. Manche behaupten, dass die Stadt von den Maya erbaut wurde, andere glauben, dass sie schon vor Jahrtausenden von einem unbekannten und längst untergegangenen Volk gegründet wurde. La Mosquitia liegt im Nordosten von Honduras an der karibischen Küste und erstreckt sich bis nach Nicaragua. Die Region beherbergt eines der größten Regenwaldgebiete Zentralamerikas und einige der letzten noch nicht erforschten Gebiete der Erde. Im Westen von den Gebirgszügen des Río Plátano und Colón begrenzt, während der Río Coco im Süden die Grenze zu Nicaragua bildet, umfasst diese riesige Region fast ein Fünftel des Territoriums von Honduras. La Mosquitia ist eine der unzugänglichsten Gegenden der Welt, jahrhundertelang scheiterte jeder Versuch, in sie vorzudringen. Bis heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, wurden Tausende Quadratkilometer noch nicht erforscht. Die ersten spanischen Entdecker markierten die Region auf ihren Karten mit Portal del Infierno, »Tor zur Hölle«.  Im Zentrum von La Mosquitia überwuchert dichter Urwald die wilde Berglandschaft, die von tiefen Schluchten, hohen Wasserfällen und reißenden Bächen durchsetzt ist.

Im Jahr gehen mehr als 3 Meter Regen auf den Urwald nieder, was zu Überschwemmungen und Erdrutschen führt. Versteckt im Unterholz lauern tödliche Giftschlangen. Die Lanzenotter, die in Mittelamerika als barba amarilla (»Gelbbart«) bezeichnet wird, geht nachts auf die Jagd. Sie wird von Menschen und Aktivität angelockt. Das Reptil ist äußerst aggressiv, reizbar und unglaublich schnell. Gelegentlich beißt sie zu, verfolgt ihr Opfer und beißt ein weiteres Mal zu. Oft zuckt ihr Kopf nach oben und schlägt über dem Knie in den Oberschenkel. Mit ihren Giftzähnen beißt sie selbst durch dicke Lederstiefel und sie speit ihr Gift mehr als zwei Meter weit. Das Gift wirkt unmittelbar tödlich. Wer nicht sofort den eintretenden Hirnblutungen erliegt, stirbt später an Blutvergiftung. Wer wider Erwarten doch überlebt, dem muss oft das Bein amputiert werden, weil das Gift Nekrosen verursacht. Und dann gibt es im Urwald von La Mosquitia die sechsbeinigen Krankheitsträger, insbesondere Moskitos, Sandmücken, Milben, Zecken, Kusswanzen (die werden so genannt, weil sie mit Vorliebe ins Gesicht beißen), Skorpione und Riesenameisen, deren Stich so schmerzhaft ist wie eine Schusswunde. Am schlimmsten ist jedoch die von infizierten Sandmücken übertragene Schleimhautleishmaninose. Der Auslöser dieser Krankheit, ein Parasit, wandert in Mund- und Nasenschleimhäute, frisst diese auf und hinterlässt da, wo einst das Gesicht war, eine riesige, nässende Wunde. Besonders tückisch sind auch die roten Ameisen, die überall auf den Bäumen umher schwärmen und bei der leisesten Erschütterung eines Zweigs von oben herunterspringen, blindwütig zubeißen und ein Gift verspritzen, das einen sofortigen Transport ins Krankenhaus erforderlich macht. Doch La Mosquitia ist hauptsächlich nur über Wasser und Luft zugänglich.  Selbst Hubschrauber können nur tagsüber und bei gutem Wetter einfliegen.  So vergehen manchmal leicht mehrere Tage, bevor Hilfe kommt.


Obwohl die weiße Stadt bisher nicht gefunden haben die Leute vor Ort haben immer wieder von großen Ruinen mit Skulpturen und Tempeln im Wald erzählt, auf die sie bei der Jagd gestoßen seien. Ein Missionar namens Cristóbal de Pedraza, späterer erster Bischof von Honduras, erwähnte 1544 in einem Brief an den spanischen König, er habe auf einer seiner beschwerlichen Missionsreisen im Urwald der La Mosquitia von einem hohen Felsen aus hinunter auf eine weitläufige und blühende Stadt in einem Flusstal blicken können. Sein einheimischer Führer habe ihm berichtet, dass die Herrscher der Stadt von goldenen Tellern aßen und aus goldenen Tassen tranken. Da sich Pedraza nicht für Gold interessierte, zog er weiter ohne in das Tal hinabzusteigen. Das kann man jetzt glauben oder nicht. Aber tatsächlich soll die NASA die Region überflogen haben und mithilfe einer neuen optischen Fernerkundungstechnik, namens LIDAR (Light Detection and Ranging), bei der Laserlicht für ein dichtes Abtasten der Erdoberfläche verwendet wird, neue Erkenntnisse erhalten haben. Nach dem Ausfiltern des dichten Urwaldbewuchses ergaben sich aus den LiDAR-Daten Informationen über eine große, von Terrassen eingefasste rechteckige archäologische Struktur unter dem dichten Urwald der Los Mosquitia Region. Es wurden Gebäude entdeckt, zu denen auch eine Erdpyramide gehört, deren Alter auf 1.000-1.4000 Jahre geschätzt wird. Mehrere seit den 1920er-Jahren auf der Suche nach der Stadt durchgeführte Expeditionen blieben erfolglos. Erst der US-Forscher Theodore Morde hatte angeblich Erfolg. Er fand die weiße Stadt und brachte bei seiner Rückkehr Tausende von Fundstücken mit. Nach Angaben der lokalen Ureinwohner soll dort auch die riesige Statue eines Affengottes vergraben sein. Doch da Morde sich weigerte, die genaue Position der Stadt anzugeben, konnten seine Angaben nicht verifiziert werden. Die genaue Lage der weißen Stadt bleibt ein Rätsel. Rätselhaft sind auch die Umstände des Todes von Theodore Morde. Angeblich soll er sich auf einer späteren Expedition zur Weißen Stadt vor Ort das Leben genommen haben. Eine andere Version lautet, er soll am 26. Juni 1954 im Haus seiner Eltern erhängt aufgefunden worden sein.



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