Unsterblichkeit

Der Traum von der Unsterblichkeit, vom ewigen Leben ist uralt. Bereits im Gilgamesch-Epos aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. beschäftigt sich Gilgamesch, der König von Uruk, mit der Frage einer möglichen Unsterblichkeit des Menschen. Gilgamesch erfährt von einer stacheligen Pflanze, die alten Menschen wieder ihre Jugend zurückgibt. Dazu muss er in ein bestimmtes Quellgewässer hinabtauchen und diese Pflanze dort vorfinden. Als er sich danach ausruht und schläft, wird ihm die Pflanze von einer Schlange geraubt, bevor er sie ausprobieren konnte.

 Die Erzählung weist bemerkenswerte Parallelen zur Bibel auf. Laut Genesis gab es im Garten Eden zwei besondere Bäume. Den Baum der Erkenntnis und den Baum des Lebens. Da Adam und Eva verbotenerweise vom Baum der Erkenntnis gekostet haben, wurde ihnen der Genuss der Früchte vom Baum des Lebens verweigert und sie mussten den Garten Eden verlassen. Auch in der Bibel ist eine Schlange die Ursache für den Verlust der Unsterblichkeit: 


Genesis 3, 14-24: Da sprach Gott der Herr zur Schlange: Weil du dies getan hast, so sollst du verflucht sein, mehr als alles Vieh und mehr als alle Tiere des Feldes! Auf deinem Bauch sollst du kriechen und Staub sollst du fressen dein Leben lang! 15 Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Samen und ihrem Samen: Er wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.16 Und zur Frau sprach er: Ich will die Mühen deiner Schwangerschaft sehr groß machen; mit Schmerzen sollst du Kinder gebären; und dein Verlangen wird auf deinen Mann gerichtet sein, er aber soll über dich herrschen! 17 Und zu Adam sprach er: Weil du der Stimme deiner Frau gehorcht und von dem Baum gegessen hast, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen! So sei der Erdboden verflucht um Deinetwillen! Mit Mühe sollst du dich davon nähren dein Leben lang; 18 Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Gewächs des Feldes essen. 19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du [dein] Brot essen, bis du wieder zurückkehrst zum Erdboden; denn von ihm bist du genommen. Denn du bist Staub, und zum Staub wirst du wieder zurückkehren! 20 Und der Mensch gab seiner Frau den Namen Eva; denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen. 21 Und Gott der Herr machte Adam und seiner Frau Kleider aus Fell und bekleidete sie. 22 Und Gott der Herr sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner, indem er erkennt, was gut und böse ist; nun aber – dass er nur nicht seine Hand ausstrecke und auch vom Baum des Lebens nehme und esse und ewig lebe. 23 So schickte ihn Gott, der Herr, aus dem Garten Eden, damit er den Erdboden bearbeite, von dem er genommen war. 24 Und er vertrieb den Menschen und ließ östlich vom Garten Eden die Cherubim lagern und die Flamme des blitzenden Schwertes, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen.


Die im Buch Genesis für Methusalem (969 Lebensjahre), Jered (962 Jahre), Noah (950 Jahre), Adam (930 Jahre), Mahalalel (895 Jahre) und Henoch (365 Jahre) angegebenen Lebensjahre sind aus naturwissenschaftlicher Sicht zwar unrealistisch, doch bibeltreue Christen nehmen die hohen Altersangaben der Bibel wörtlich. Gott habe die Menschen ursprünglich vollkommen für ein ewiges Leben erschaffen, ohne Alters- und Erbkrankheiten, was die hohen Lebensalter in der Zeit bis zur Sintflut erkläre.


Im Buch Genesis 6, 3 wird die Vergänglichkeit des Menschen nach der Vertreibung aus dem Paradies dann aber ausdrücklich hervorgehoben: Da sprach der Herr: Mein Geist soll nicht ewig im Menschen bleiben, da er auch Fleisch ist. Seine Tage sollen 120 Jahre betragen. Im Pentateuch, dem ältesten Kanon-Teil der Bibel, wird ein ewiges Leben nur für Gott angenommen und dem Menschen abgesprochen. Das höchste gut dokumentierte Alter, welches je durch einen Menschen erreicht wurde, beträgt 122 Jahre.


Dem Evangelium nach Johannes zufolge sagte Jesus: Amen, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen.


Die meisten Forscher sind sich heute darüber einig – dass die Menschen gar nicht sterben müssten. Aus bisher unbekannten Gründen fängt die biologische Uhr des Menschen zu ticken und lässt sich nicht mehr aufhalten. Die chemische Aktivität im Körper schwindet, immer seltener werden Reparaturmechanismen genutzt, immer seltener entstehen neue Zellen durch Zellteilung. Gene, die ursprünglich nützlich waren, beginnen zerstörerisch zu wirken. Der Mensch beginnt zu altern, bis er schließlich stirbt, spätestens mit etwas mehr als 120 Jahren. Doch die Natur kennt zahlreiche Ausnahmen. Einige Lebewesen sind potenziell unsterblich. Ein Schwamm, den Forscher in der Antarktis entdeckt haben, lebt seit 10 000 Jahren. Einzeller wie das Pantoffeltierchen können theoretisch Milliarden Jahre leben, weil sie sich immer wieder teilen. 


Auch die nur rund 3 mm kleine Quallenart Turritopsis dohrnii hat diese einzigartige biologische Fähigkeit der Unsterblichkeit bereits erreicht Die farblosen oder rosafarbigen Quallen leben hauptsächlich im Mittelmeer. Die meisten Nesseltiere sterben nach erfolgter Vermehrung in der Regel ab. Die Quallenart  T. dohrnii jedoch verjüngt sich bei Verletzungen, Krankheit oder einem gewissen Alter und wiederholt so ihren Lebenszyklus bis in die Unendlichkeit. Nur ein Fressfeind kann sie darin hindern, Millionen von Jahren alt zu werden. Ihre Zellen scheinen ein »Programm« zu enthalten, im Bedarfsfall einen Verjüngungsprozess einzuleiten. Nachdem die Qualle ein bestimmtes Alter erreicht hat oder verletzt wurde kehrt sie den den Alterungsprozess einfach um, verjüngt sich zum Polypen zurück und entwickelt sich zur Qualle (Medusa) weiter, was praktisch einer selbständigen Wiedergeburt gleichkommt. Noch ist wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt, wie sie das schafft. T. dohrnii ist aber nicht nur in der Lage, sich unendliche Male zu verjüngen, sondern sie kann, wenn sie z. B.  zerstückelt wird, aus jedem ihrer Teile wieder eine vollständige Kopie von sich entstehen zu lassen.  Dies erfolgt durch eine sogenannte Transdifferenzierung1, bei der die Zellen nach Bedarf umgewandelt werden. Das impliziert aber, dass die Zellen dieser Qualle nicht nur die genetischen Informationen in sich tragen müssen, sondern zudem auch den Schalter, um die Regeneration bzw. Transdifferenzierung überhaupt auszulösen. Beim Menschen gibt es ähnliche Umwandlungsmechanismen, etwa die Umwandlung von Epithelzellen in Muzin-produzierende Darmzellen, oder die Bildung von Leukoplakien (Umwandlung von Mundschleimhautzellen. Allerdings sind diese Formen einer Trans Differenzierung beim Menschen immer mit der fakultativen Gefahr verbunden, dass die Zellen entarten und ein Karzinom bilden können.


Forscher der Universität Oviedo in Spanien haben die DNA von Turritopsis dohrnii mit der einer anderen eng verwandten Quallenart verglichen, die jedoch nicht unsterblich ist. Sie wollten herausfinden was T. dohrnii  so einzigartig macht. Und tatsächlich fanden sie unter anderem heraus,  das T. dohrnii  über mehr Kopien2 der Gene POLD1 und POLA2 verfügt, als ihre sterblichen Verwandten.  Diese Gene sind  für die Kodierung verschiedener Proteine verantwortlich  und spielen eine entscheidende Rolle bei der DNA-Replikation. T. dohrnii verfügte zudem auch über mehr Kopien von Genen, die für die DNA-Reparatur zuständig sind, sowie der Genen, die die Telomerase steuern. Telomere sind Schutzkappen an den Enden der Chromosomen, die bei jeder Zellteilung kürzer werden. Werden sie so kurz, dass von ihnen beschützte Gene geschädigt werden könnten, hören die Zellen auf sich zu teilen und zu erneuern. Die Zelle kann ihre Funktionen zunehmend schlechter ausführen. Dies ist einer der Mechanismen für das Altern.  Bei T. dohrnii scheinen sich die Telomere auf der DNA wieder aufzufüllen, wodurch der natürliche Alterungsprozess quasi ausgeschaltet wird.


Es gibt verschiedene Forschungsprojekte dem Menschen ein langes oder sogar ewiges Leben zu ermöglichen. Die Forscher versuchen dabei herauszufinden, welche Substanz im Körper hauptsächlich für das Altern verantwortlich ist, oder umgekehrt, welche Substanz das Altern aufhalten kann. Der Biomathematiker Steve Horvath hat durch seine Studien der Epigenetik einen möglichen Lösungsweg gefunden. Er hat herausgefunden, dass in den Zellen des menschlichen Körpers eine biologische Uhr steckt, an der das genaue Alter des Menschen abzulesen ist. Die Uhr wurde nach ihm benannt (Horvaths Uhr). Wenn es gelänge diese Uhr anzuhalten, könnte dies wahrscheinlich das Altern verhindern, mindestens aber hinauszögern. Eine Antwort auf die Frage nach Unsterblichkeit heißt Kryokonservierung. Das ist ein schonendes, aber aufwendiges Verfahren zum Einfrieren von Keimzellen. In diesem künstlich herbeigeführten Kälteschlaf sind die Keimzellen für mehrere Jahre überlebensfähig. Eine andere Antwort auf die Frage nach der Unsterblichkeit heißt Regeneration. Unter Regeneration versteht man die Fähigkeit eines Organismus, verloren gegangene Teile zu ersetzen. Pflanzen, viele wirbellose Tiere wie verschiedene Nesseltiere, Plattwürmer u. ä., Amphibien wie z. B. die Molche oder der Axolotl, oder manche Reptilien wie den Eidechsen, die ihren Schwanz an einer Sollbruchstelle durch Muskelkontraktion abwerfen und anschließend (in reduzierter Form) wieder nachwachsen lassen können. Unter den Wirbeltieren ist die Fähigkeit aber weitestgehend verloren gegangen, Organe und Gewebe zu regenerieren. Gliederfüßer, wie Insekten, Tausendfüßer, Krebstiere und Spinnentiere, haben die Fähigkeit, verloren gegangene Körperteile bei dem Prozess der nächsten Häutung teilweise zu ersetzen. Dabei wird je Häutung jeweils ein Stück mehr ersetzt als bei der vorangegangenen Häutung, sodass bei einer genügend großen Anzahl von Häutungen Körperteile auch vollständig ersetzt werden können. Die Anzahl der Häutungen ist aber z. B. bei den Insekten beschränkt, sodass nach der letzten, häufig der Imaginalhäutung, keine weitere Regeneration mehr möglich ist. Die biologischen Prozesse, die eine Regeneration ganzer Gliedmaßen, Organe und sogar Teile des Gehirns ermöglichen, sind Gegenstand intensiver Forschungsbemühungen. Es werden hauptsächlich zwei Typen von Regeneration unterschieden:


  • Epimorphose: Bei der Epimorphose werden vom Organismus die verloren gegangenen Teile durch Zellerneuerung, also Zellteilung und Zellwachstum vollständig neu geformt. Beispiele für diese Art der Regeneration sind Molche und Seesterne. 
  • Morphallaxis: Bei der Morphallaxis werden die verloren gegangenen Teile durch Umordnen der vorhandenen Zellen neu gebildet. Es werden keine neuen Zellen gebildet. Ein klassisches Beispiel ist der Süßwasserpolyp.


Bisher ging die Forschung von der Annahme aus, dass nach einer Verletzung sich die umliegenden Zellen in sogenannte pluripotente Stammzellen (Alleskönner-Zellen) zurückentwickeln und im nächsten Schritt aus diesen alle neuen Zellen entstehen. Neuere Forschungen haben jedoch ergeben, dass sich neue Gliedmaßen oder Organe aus Zellen entwickeln, die sich nur jeweils zu bestimmten Gewebetypen weiterentwickeln können. Jedes Gewebe produziert dabei sogenannte Vorläuferzellen, die nur über ein limitiertes Potenzial zur Rückentwicklung verfügen. Für die Regeneration ist also keine vollständige Rückentwicklung der Zellen zurück zum pluripotenten Entwicklungsstadium erforderlich. Eine weitere Erkenntnis der modernen Forschung ist, dass beim Regenerationsprozess die Anwesenheit von Makrophagen (Fresszellen) notwendig ist. Makrophagen haben eine Schlüsselfunktion in der Gewebeerneuerung, z. B. bei der Wundheilung, da sie wichtige Signalmoleküle bereitstellen. Sie unterstützen damit die Zellproliferation bzw. Gewebeneubildung nach dem eine Wunde entstanden ist und spielen eine wichtige Rolle bei der Reparatur beschädigter Muskelfasern. Es wird vermutet, dass Makrophagen den Heilungsprozess durch die Sekretion noch nicht identifizierter Proteine beeinflussen, welche die Proliferation und Differenzierung der Muskelzellen steuern. Es gibt drei zeitliche Abläufe bei der Regeneration:


  1. Einmalige Regeneration (Ersatz des Milchgebisses)
  2. Zyklische Regeneration (beim weiblichen Menstruationszyklus wird durch hormonelle Steuerung die Uterusschleimhaut monatlich erneuert)
  3. Permanente Regeneration (im Darmepithel werden kontinuierlich Zellen (Lebensdauer ca. eine Woche) in das Lumen abgegeben, dort verdaut und resorbiert. Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) werden durchschnittlich in einem Zeitraum von 120 Tagen komplett ersetzt. Auch die Haut wird permanent von neuen Zellen ersetzt).

Bei den meisten Zellformen kommt die permanente Regeneration vor. Mit den Jahren verlangsamt sich der Prozess der Zellregeneration, und es sterben mehr Zellen ab, als neue nachwachsen. Die chemische Aktivität im Körper schwindet, immer seltener werden Regeneration-Mechanismen genutzt, immer seltener entstehen neue Zellen durch Zellteilung. Das Ende ist der physische Tod. Ausgangspunkt der Zellproliferation sind in der Regel Stammzellen. Das sind undifferenzierte Zellformen mit geringen Teilungsraten. Erst ihre hervorgehenden Tochterzellen weisen erhöhte Mitoseaktivität (siehe Bild links, Zellteilung: I bis III: Prophase; IV: Metaphase; V und VI: Anaphase; VII und VIII: Telophase) auf und entwickeln sich im Laufe ihrer Teilungen zu den spezifischen Zelltypen (Epithelzellen, Skelettmuskelzellen, Spermienzellen, Blutkörperchen …). Organe, Knochen, Haut – fast alle Körperzellen „wachsen nach“, wenn alte Zellen sterben. Manche Zellen, z. B. Hautzellen, erneuern sich innerhalb von Tagen. Nach zwei Jahren hat sich die Leber und nach zehn Jahren das Skelett vollständig erneuert. Das Herz hingegen muss ein Leben lang mit denselben Zellen auskommen. Es erneuern sich maximal 40 % der Herzzellen. Andere Zellen, z. B. die Zellen des zentralen Nervensystems bleiben ein Leben lang in ihrem Urzustand, sie erneuern sich überhaupt nicht. Das hat einen nachvollziehbaren Grund, denn Zellen, etwa die im Gehirn, speichern dauerhafte Informationen. Es wäre kontraproduktiv , wenn die Zellen fürs Gedächtnis ständig mit neuen, leeren Zellen ersetzt würden. Warum aber manche Körperzellen sich ständig erneuern, andere von Geburt an unverändert bleiben, ist noch nicht ganz geklärt. Vor allem, warum ausgerechnet das Herz sich kaum erneuert, ist ein Rätsel.


Bevor sich die Zellen teilen oder reproduzieren können, muss eine genaue Kopie (Replikat) der genetischen Information erstellt werden. Diese ist in der DNS enthalten. Die Verdoppelung der DNS muss fehlerfrei sein, weil jeder Fehler zu genetischen Mutationen und zu Erkrankungen führen kann. Für den Prozess einer fehlerfreien DNS Verdoppelung und die sich teilende Zelle mit Energie zu versorgen, braucht jede Zelle frei verfügbare Nukleotiden als Zellbausteine, RNS und verschiedene (Nukleotid-enthaltende) Enzyme. Nach der Zellteilung besitzen die neu gebildeten Zellen die gleichen Erbinformationen wie die ursprüngliche Zelle. Nur durch die uneingeschränkte Verfügbarkeit aller Nukleotide (das sind Guanin, Cytosin, Adenin, Thymin und Uracil) kann der Körper eine kontinuierliche Zellerneuerung aufrechterhalten. Die Verfügbarkeit dieser entscheidenden Zellbausteine kann durch eine Nahrungsergänzung mit Nukleotiden gewährleistet werden, wobei eine bedarfsgerechte Zusammensetzung der einzelnen Nukleotide mitentscheidend ist. Doch auch wenn der Mensch gesund lebt und gesund alt wird, kann er nicht ewig leben. Warum sich der menschliche Körper mit den Jahren verändert und irgendwann stirbt, ist Gegenstand der Gerontologie (Altersforschung). Da gibt es hauptsächlich zwei Denkrichtungen, die Verfechter der Evolutionstheorien und die Vertreter der molekularen Theorien. Letztere schauen sich den zellulären Alterungsprozess an.


Nach der klassischen Evolutionstheorie ist das Altern unvermeidbar. Denn die natürliche Selektion maximiert keineswegs die Lebenszeit eines Individuums, sondern dessen Fitness, das heißt den Beitrag, den ein Individuum zur fortpflanzungsfähigen Nachfolgegeneration leistet. Die schwindende Funktionsfähigkeit und Gesundheit sind Folge und unausweichliches Ergebnis nachlassender selektiver Kräfte mit zunehmendem Alter. Die Mortalitätsrate erhöht sich mit steigender Anzahl von Lebensjahren. Die Vertreter der molekularen Theorie interpretieren Alterung als eine Folge von defizitären Veränderungen auf zellularer Ebene. Ein wichtiger Faktor beim Alterungsprozess ist dabei die Genetik. Eine Variante des FOXO3-Gens, umgangssprachlich auch als Methusalem-Gen bezeichnet, spielt dabei offensichtlich eine entscheidende Rolle. Das Gen FOXO3 reguliert die Zellproliferation bzw. das Wachstum und Vermehrung von Zellen), die Differenzierung, der Vorgang, bei dem Zellen sich in ihrer Struktur und Funktion verändern, sich quasi spezialisieren und die Zelllebensdauer und fördert bei Menschen die Langlebigkeit. Andererseits scheint es in den Zellen auch verschiedene natürliche Bremsen zu geben, die den Mensch altern lassen. Eine davon sind die Chromosomen, das sind X-förmige Gebilde im Zellkern, in denen die Erbinformationen des Menschen gespeichert sind. Bei jeder Zellteilung verdoppeln sich die Chromosomen, sodass jede Tochterzelle eine Kopie des Erbguts erhält. Die Enden der Chromosomen, die sogenannten Telomere, verkürzen sich jedoch bei jeder Teilung. Telomere finden sich am Ende jedes Chromosomenarms. Telomere schützen beidseits lineare Chromosomen während des Zellzyklus und sind insofern für alle biologischen Vorgänge wichtig. Sie werden mit dem Altern von Zellen sowie mit deren Immortalisierung und auch mit der Entstehung von Krebs in Zusammenhang gebracht. Mit jedem Zellzyklus verkürzen sich die chromosomalen Telomere sukzessiv, wodurch die Anzahl der Teilungen der Zelle begrenzt wird. Unterschreitet die Telomerlänge ein kritisches Minimum von circa 4 kbp, kann sich die Zelle nicht mehr teilen. Oft tritt dann der programmierte Zelltod (Apoptose) oder ein permanenter Wachstumsstopp ein (Seneszenz). Die Altersforscher konnten aus dieser biologischen Tatsache die maximale Lebensspanne eines Menschen berechnen: 120 Jahre. Die Zellteilungsfähigkeit kann jedoch erhalten werden. Diese sogenannte Immortalisierung erfolgt durch eine Aufhebung der Begrenzung der Anzahl von Zellteilungen in einer Zelle, die als Hayflick-Grenze3 bezeichnet wird. Damit wird bei Eukaryoten die begrenzte Anzahl von Zellteilungen bezeichnet, denen sich eine Zelle unterziehen kann, bevor der programmierte Zelltod eingeleitet wird, weil die Telomere eine kritische Länge erreicht haben. Hayflick beobachtete die Verkürzung der Telomere durch jede Mitose, welche weiteren Zellteilungen ein natürliches Ende setzt. Die Menge an natürlichen Teilungen und damit die Hayflick-Grenze variiert von Spezies zu Spezies und ist ein wesentlicher Faktor, der die Lebenserwartung beeinflusst. Immortalisierte Zellen können sich im Gegensatz zu gewöhnlichen Zellen beliebig häufig teilen und lassen sich in Zellkultur theoretisch unbegrenzt vermehren, woher die Bezeichnung immortal ‚unsterblich‘ stammt. Dieses unbegrenzte Zellwachstum kann z. B. durch Infektion mit bestimmten Viren (manche Herpesviren, darunter das Epstein-Barr-Virus und das Herpesvirus saimiri, das SV40-Virus, HTLV, durch Transfektion mit immortalisierenden Genen oder Proteinen (z. B. großes T-Antigen des SV40-Virus, Adenovirus E1A oder Papillomvirus E7 mit hTERT oder durch Fusion mit Tumorzellen im Rahmen der Hybridom-Technik erreicht werden. Spontan kommt eine Immortalisierung bei Krebs vor, z. B. durch manche Onkogene und mutiertes p53. Bei einer Immortalisierung kann es zu einer Dedifferenzierung (Verlust der Zelltyp-spezifischen Eigenschaften) kommen.


Mechanistisch kann zelluläre Seneszenz auch durch eine Veränderung der DNA ausgelöst werden, die sich aus der Verkürzung der Telomere bei jedem Zellteilungsvorgang ergibt. Mithilfe einer neuen Gentechnik, der Genschere Crispr/Cas9 können Forscher in diesen Prozess aktiv eingreifen. Mit der Genschere CRISPR/Cas9 haben chinesische Forscher bei Mäusen jetzt ein Gen isoliert und deaktiviert, das beim Alterungsprozess eine wesentliche Rolle zu spielen scheint. Bei der Deaktivierung des Gens Kat7 verminderte sich auch die zelluläre Seneszenz. Seneszente Zellen sind Zellen, die die Eigenschaft verloren haben, sich durch Teilung zu erneuern - ein Phänomen, das mit dem Alter immer häufiger auftritt. Die Hoffnung: Kann man zelluläre Seneszenz verlangsamen, so verlangsamt man auch den Alterungsprozess. Auch die Stammzellen spielen eine Rolle im Alterungsprozess. Stammzellen bilden neue Körperzellen und neues Gewebe, z. B. Leberzellen oder Herzmuskelzellen. Gegenüber den normalen Körperzellen kennen sie aber einen Trick gegen die fortschreitende Verkürzung der Telomere. Sie nutzen das Enzym Telomerase. Dieses Enzym verlängert die Telomere immer wieder, wodurch die Teilungsmöglichkeit der Zellen lange erhalten bleibt. Doch selbst Stammzellen können altern. Mit der Zeit geht der Vorrat an gesunden, leistungsfähigen Stammzellen zur Neige. Das bedeutet: Sie liefern keine frischen Zellen mehr und die Regenerationsfähigkeit schwindet. Welche dieser natürlichen Bremsen nun für den Alterungsprozess verantwortlich ist, ist weiterhin ein Rätsel. Inzwischen wird angenommen, dass beides eine Rolle spielt. Bei einer Person sind verkürzte Chromosomen-Enden verantwortlich, bei der nächsten Person eine Kombination aus fehlenden Stammzellen und DNA-Schäden. Was Wissenschaftler aber bisher definitiv sagen können: Die Evolutionstheorien und die molekularen Theorien, lassen sich miteinander verknüpfen. Mit anderen Worten: Die Evolution erklärt, warum wir altern, und die Zellen erklären, wie wir altern.


Eine andere, um quasi Unsterblichkeit zu erreichen, ist die Umwandlung eines Menschen in einen Cyborg. Der Mensch wird dabei durch technische Implantate erhalten oder verbessert. Cyborgologie umfasst potenziell die Integration von Neuro-Implantaten zum Erhalt und zur Erweiterung kognitiver Möglichkeiten und den Austausch biologischer Organe und Systeme durch leistungsfähigere technische Alternativen. Künstliche Herzen sind ein erster Schritt in diese Richtung, obwohl die vom Menschen gemachten Systeme dem biologischen Vorbild noch klar unterlegen sind.


Einen ganz anderen Ansatz bietet die Alchemie. Der von den Alchemisten gesuchte Stein der Weisen soll unter anderem zu ewigem Leben verhelfen. Als Aurum Potabile ("Trinkbares Gold") bezeichnete man die Verbindung des Steins der Weisen mit Rotwein. Dieses solle als Mittel gegen jede Krankheit und als einziges auch gegen das Altern wirksam sein. Die Verbindung des Steins mit destilliertem Wasser bezeichnete man als Universalmedizin, die, bis auf die verjüngende, alle Wirkungen des Aurum Potabiles in sich vereine.

Eine andere Möglichkeit ist die Kryptobiose. Darunter versteht man einen Zustand von Organismen, bei dem die Stoffwechselvorgänge extrem reduziert sind. In diesem Zustande sind Lebewesen in der Lage, ungünstige Lebensbedingungen über längere Zeit zu überdauern. Diese Fähigkeit haben zum Beispiel Bärtierchen (Tardigrada), Fadenwürmern (Nematoda) und Rädertierchen (Rotatoria, Rotifera). Bärtierchen z. B. überstehen im Zustand der Kryptobiose   Kälte, Trockenheit und extreme Strahlung. Sie gelten als erste Tiere, die im Weltall frei überleben können.

Es gibt mehrere Formen von Kryptobiose:


  • Anhydrobiose, Bildung von Dauerstadien durch Austrocknung
  • Osmobiose, ausgelöst durch erhöhten osmotischen Druck
  • Anoxybiose, ausgelöst durch niedrigen Sauerstoff-Gehalt der Umgebung
  • Kryobiose, ausgelöst durch niedrige Temperaturen


Nematoden wie z. B. Plectus murrayi und Tylenchus polyhypnus war nach einigen Jahrzehnten aus Moos- und Herbariumproben wiederbelebt worden. Ein weiblicher mikroskopisch kleiner Spulwurm aus der Art (Nematoda) lässt alle anderen weit hinter sich. Der Spulwurm (Panagrolaimus kolymaensis) war 46,000 Jahre lang im sibirischen Permafrost konserviert worden, und als er wiederbelebt wurde, begann die Kreatur, sich durch Parthenogenese4 zu vermehren.


Forscher untersuchen die Kryptobiose – und hoffen dadurch der Unsterblichkeit des Menschen ein Stück näher zu kommen. Der Prozess soll auf den Menschen übertragen werden. Noch ist das aber Zukunftsmusik. Es ist bisher nicht gelungen, einen vollständig eingefrorenen Menschen wieder zum Leben zu erwecken. Die Schäden, die durch das Einfrieren in den Zellen entstehen, sind irreparabel und damit tödlich. Doch die Forscher sind auf dem richtigen Weg. Sie fanden heraus dass z. B. Bärtierchen über ein besonderes Protein verfügen, das beschädigte DNA wieder reparieren kann. Das bärtierchenspezifische D-Sub-Protein konnte  extrahiert und in menschliches Gewebe injiziert werden. Erstaunlicherweise war dieses Gewebe danach wesentlich strahlungsresistenter als zuvor.

1) Transdifferenzierung ist die Umwandlung eines ausdifferenzierten Zelltyps in einen anderen Zelltyp, wobei neue Gene aktiviert, andere abgeschaltet werden.


2) Aus der Biologie ist bekannt, dass jedes Gen in zwei Kopien vorliegt, je einer Kopie pro Chromosomensatz. Wissenschaftler haben erst vor wenigen Jahren entdeckt, dass manche Gene in nur einer Kopie (Gen-Deletion), aber auch in drei, vier oder mehr Kopien (Gen-Duplikation) vorkommen.


3) Als Hayflick-Grenze wird bei Eukaryoten (Lebewesen, die einen Zellkern besitzen) die begrenzte Anzahl von Zellteilungen bezeichnet, denen sich eine Zelle unterziehen kann, bevor der programmierte Zelltod eingeleitet wird, weil die Telomere eine kritische Länge erreicht haben.


4) Partenogenese („Jungfernzeugung”) ist eine Form der eingeschlechtlichen Fortpflanzung. Die Nachkommen entstehen aus einzelnen unbefruchteten Eizellen. Es kommt  zu keiner Verschmelzung von männlichem und weiblichem Erbgut.

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