Die Piri Reis Karte

Die Karte des Piri Reis ist eine osmanische Seekarte des Zentralatlantiks die neben schon lange bekannten Gegenden Westeuropas, des Mittelmeers und Nordafrikas auch Küstenlinien Westafrikas sowie Nord- und Südamerikas. Der  türkische Admiral der osmanischen Flotte und Kartograf Piri Reis sammelte und zeichnete zahlreiche Karten, von denen heute die 1929 entdeckte sogenannte Karte des Piri Reis aus dem Jahr 1513 die berühmteste ist. Sie basierte auf etwa 20 Karten, von denen eine sogar aus der Zeit Alexanders des Großen stammen soll und einer mittelalterlichen Weltkarte mappae mundi. Bei dieser Art Karte sind häufig zwei Regionen besonders groß  dargestellt: das Heilige Land (Palästina) und die Region des Kartenautors. Traditionell kannte die Antike wie auch das Mittelalter drei Kontinente: Europa, Asien, Afrika. Sie werden mit Noahs Nachfahren Jafet, Sem und Ham in Verbindung gebracht. Danach gab es aber noch die Vermutung eines Vierten Kontinents (terra australis incognita). Für die Inhalte der Karten orientierten sich die Autoren vor allem an der Bibelgeschichte, den naturwissenschaftlichen Werken der Antike und des Mittelalters, den antiken und mittelalterlichen Biografien Alexanders des Großen und an  den Werken der Spätantike und dem Mittelalter zur Weltgeschichte (Weltchronik). Die Karte des Piri Reis ist die einzige damals bekannte Kopie einer verlorenen Weltkarte von Christoph Kolumbus, die angeblich gezeichnet worden war, als Kolumbus in Westindien war und nach der Geografen mehrere Jahrhunderte lang gesucht hatten. Die Karte des Piri Reis ist außerdem die einzige Karte des 16. Jahrhunderts, die Südamerika in seiner richtigen Longitudinalposition im Verhältnis zu Afrika zeigt. Die Karte ist auf Pergament aus Kamelhaut gezeichnet und mit arabischen Schriftzeichen in osmanischer Sprache beschriftet. Es handelt sich um eine Karte mit  nautischen Informationen (Portolan-Karte),  wie die vier Kompassrosen (zwei große und zwei kleine) zeigen, von denen Peillinien ausgehen. An den Rändern der Karte befinden sich umfangreiche Notizen in osmanisch-türkischer Sprache.

Reis' Karte zeigt neben schon lange bekannten Gegenden Westeuropas, des Mittelmeers und Nordafrikas auch Küstenlinien Westafrikas sowie Nord- und Südamerikas. Die Genauigkeit der Zeichnungen ist unterschiedlich. Die iberische Halbinsel und die Küste Afrikas werden genau dargestellt. Einige Inselgruppen im Ostatlantik wurden genau platziert, sind aber nicht im richtigen Maßstab gezeichnet. Der nördliche Teil der südamerikanischen Küste wird auch nahezu genau wiedergegeben und korrekt gegenüber von Afrika platziert. Die Darstellung der Karibik soll laut Reis' eigenen Angaben auf einer verloren gegangenen Karte von Christoph Kolumbus basieren, von der Piri Reis' Onkel Kemal Reis ein Exemplar bei einer Seeschlacht gegen die Republik Venedig erbeutet haben will. Das Gebiet, das Nordamerika darstellt,  weicht mit Ausnahme der Umrisse von  Neufundland aber von der tatsächlichen Küstenlinie ab.


Bei einer nahe gelegenen Insel mit der Bezeichnung „Antilia“ könnte es sich um Nova Scotia handeln, da in einer Randnotiz Bezug auf die Reisen den irischen Mönchs  Saint Brendan genommen wird. Dieser ist bekannt durch seine Navigatio Sancti Brendani, einem Bericht über eine Seereise, die er zwischen 565 und 573 mit zwölf Gefährten unternommen haben soll. Das Ziel dieser Reise, die mit einem Curragh (traditionelles irisches Boot aus einem leichten Holzgerippe, das mit Leder oder Leinwand überzogen und geteert wird) unternommen wurde, war die „Terra Repromissionis sanctorum“, die verheißene Insel der Seligen im Westen (Brendaninsel) die in mehreren mittelalterlichen Karten verzeichnet ist.


Auf der Piri Reis Karte ist im südlichen Bereich der Ostküste Südamerikas die Mündung des Río de la Plata deutlich erkennbar. Abweichungen gibt es bei der oben erwähnten nordamerikanischen  Küste und beim südlichen Teil der südamerikanischen Küste, da letztere ab dem heutigen Rio de Janeiro scharf Richtung Osten abknickt. Es wurde vermutet, dass diese Linie die Küste des Königin-Maud-Landes in der Antarktis zeigt.  Da die Erforschung der Antarktisküste zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht möglich war, wurde die Theorie von den meisten Kartografen und Historikern abgelehnt. Piri Reis' Karte ist jedenfalls nicht, wie behauptet wurde, die genaueste Karte des sechzehnten Jahrhunderts, wie kartometrische Untersuchungen belegen. Es gibt andere Karten, wie die Ribeiro-Karten  aus den 1520er und 1530er-Jahren, die Ortelius-Karte von 1570 und die Wright-Molyneux-Karte von 1599, die wesentlich genauer sind. Schlussendlich bleibt die Karte des Piri Reis aber von vielen Rätseln umgeben und ist auch heute noch Anlass verschiedener Spekulationen oder Theorien.

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