Der Urknall

Das heutige Universum besteht zu 4 % aus der bekannten Materie (Atome), zu 23 % aus dunkler Materie und zu 72% aus dunkler Energie. Gemäß dem Standardmodell der Kosmologie befand sich das Universum Anfangs in einem nahezu unendlich dichten Zustand (Singularität), von dem aus es sich in einer Urknall genannten Expansion zum heutigen Zustand entwickelte. Die Energiedichte des Universums war in seiner Frühphase sehr hoch. Nach dieser Strahlungs-Ära in der Frühzeit des Universums folgte die Materie-Ära, in der die Materie den größten Anteil stellte. Ein großes Rätsel im Rahmen der benötigten Materiedichte ist dabei das Missverhältnis zwischen sichtbarer Materie und nicht sichtbarer Materie sowie der beobachteten mittleren Ausbreitungsgeschwindigkeit des Universums. Um dieses Missverhältnis zu erklären, wurde eine hypothetische Energieform, die nicht direkt sichtbare, aber über die Gravitation wechselwirkende dunkle Materie postuliert. Die Dunkle Materie spielt im Standardmodell der Kosmologie bei der Strukturbildung im Universum und bei der Galaxienbildung eine wichtige Rolle. Entsprechende Messungen legen nahe, dass der Anteil der Dunklen Materie an der Gesamtmasse im Universum dabei etwa fünfmal so hoch ist wie derjenige der gewöhnlichen (sichtbaren) Materie. Die Existenz der sog. dunklen Energie ist wesentlicher Bestandteil der wissenschaftlich anerkannten Urknalltheorie, weil sie die einzige Erklärung für die beobachtete Tatsache, der beschleunigten Ausdehnung des Universums ist. Die Materie-Ära endete, als das Universum etwa 10 Milliarden Jahre alt war; seitdem macht die Dunkle Energie den größten Teil aus.  Dies hat auch Auswirkungen auf den zeitlichen Verlauf der Expansion: Bis zum Ende der Materie-Ära war Expansion abgebremst, seither erfolgt sie beschleunigt. Dieser Übergang kann durch Beobachtung von Supernovae über einen weiten Entfernungsbereich direkt nachvollzogen werden. Im heißen und dichten Anfangszustand des Universums, sind Materie und Antimaterie in näherungsweise gleichen Mengen entstanden und kurz darauf wieder durch Annihilation „zerstrahlt“. Nach heutigem Kenntnisstand existiert jede Art von Materieteilchen in zwei Formen, als ‚normales‘ und als Antiteilchen. Das Positron ist das Antiteilchen des Elektrons. Treffen ein Teilchen und ein Antiteilchen derselben Teilchenart zusammen, kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Annihilation: Proton und Antiproton vernichten sich gegenseitig. Das Positron war das erste bekannte Antiteilchen. Seine Existenz wurde 1928 von dem britischen Physiker Paul A. M. Dirac (* 1902 - † 1984), vorhergesagt. Der US-amerikanische Physiker Carl David Anderson (* 1905 - † 1991) entdeckte es schließlich am 2. August 1932 experimentell in der kosmischen Strahlung. Antiteilchen schließen sich zu Antimaterie zusammen, so wie die normalen Teilchen zur normalen Materie.

Die Wissenschaft geht davon aus, dass das Verhältnis von Materie und Antimaterie anfangs fast 1 zu 1 war. Ein winziges Ungleichgewicht – etwa 1 Teilchen Überschuss auf 1 Milliarde Teilchen-Antiteilchen-Paare – bewirkte, dass ein Rest an Materie übrigblieb, der im heutigen Universum feststellbar ist. Dieses Ungleichgewicht von Materie und Antimaterie ist eine der Voraussetzungen für die Stabilität des Universums und infolgedessen für das Leben auf der Erde. Bei genauem Gleichgewicht wären Materie und Antimaterie im Verlauf der Abkühlung des Universums vollständig in Strahlung umgewandelt worden. Der Grund für dieses Ungleichgewicht ist bis heute eines der großen Rätsel der Elementarteilchenphysik und Kosmologie.


Der Zeitraum nach dem Urknall bis zur kleinsten physikalisch sinnvollen Zeitangabe, der Planck-Zeit mit etwa 10−43 Sekunden, wird von der Wissenschaft als Planck-Ära bezeichnet . Bisher gibt es noch keine allgemein akzeptierte Theorie zur Planck-Ära. Als mögliche Theorien werden aber genannt:


  1. Die M-Theorie: Mit dieser Theorie wird versucht, alle Naturkräfte einheitlich zu beschreiben.
  2. Oder die Schleifenquantengravitation: eine Theorie zur Vereinigung der Quantenphysik mit der allgemeinen Relativitätstheorie.


Die Temperatur während der Planck-Ära, entsprach der Planck-Temperatur, etwa 1032 Kelvin. Zu diesem Zeitpunkt gab es nur eine fundamentale Kraft, die Urkraft. An die Planck-Ära schließt sich die GUT-Ära (Baryogenese) an. Durch eine spontane Symmetriebrechung (= Phasenübergang von einer Phase oder einem Zustand höherer Symmetrie in eine Phase oder einen Zustand geringerer Symmetrie) spaltete sich die Urkraft in die GUT-Kraft und die Gravitation auf. GUT steht für "Große vereinheitlichte Theorie". Die GUT-Kraft vereinigt die starke Kernkraft, die schwache Kernkraft und die elektromagnetische Kraft. Mithilfe von Hochenergie-Experimente an Teilchenbeschleunigern konnte experimentell nachgewiesen werden, dass sich die drei genannten Kräfte, bei einer Energie von etwa 2·1016 GeV nicht mehr voneinander unterscheiden, sondern als eine Kraft auftreten, die als GUT-Kraft bezeichnet wird. Die GUT-Kraft befindet sich im Zustand höherer Symmetrie. (Eigenschaft eines Systems, nach einer bestimmten Änderung (insbesondere seiner Position im geometrischen Raum), selbst unverändert zu bleiben). Bei Energien unter diesem Wert bricht diese Symmetrie auf und die drei genannten Kräfte werden sichtbar. Die notwendige Energiedichte, um die Theorie zu überprüfen, konnte bisher in Laborexperimenten allerdings noch nicht erreicht werden.

Während der Gut-Ära dehnte sich das Universum für kurze Zeit rasant aus, ein Phänomen, das die Wissenschaft als Inflation bezeichnet. Nachdem sich mit dem Ende der Inflation die Expansion das Universum zunächst verlangsamt hatte, nimmt die Ausdehnungsgeschwindigkeit seither wieder zu. Der Grund dafür ist nach Meinung der Wissenschaft die Dunkle Energie, die nach gängiger Theorie fast drei Viertel des Universums erfüllt. 

Erstmals konnten Wissenschaftler der amerikanischen WMAP-Mission (2001–2010) die Daten der sogenannten Inflationstheorie bestätigen. Nach dieser Theorie hat sich der Kosmos in den ersten Sekundenbruchteilen seiner Existenz um viele Größenordnungen aufgebläht. Als Beleg für diese Theorie dient die sog. Hintergrundstrahlung, genauer kosmische Mikrowellen­hintergrund­strahlung. Wegen ihrer niedrigen Temperatur bzw. Energiedichte, auch Drei-Kelvin-Strahlung genannt, ist eine das ganze Universum erfüllende nahezu isotrope Strahlung im Mikrowellenbereich, die kurz nach dem Urknall entstanden ist.

 

WMAP ist ein im Jahr 2001 gestarteter Spezialsatellit zur Untersuchung der Hintergrundstrahlung. Der Satellit konnte die bislang genaueste Karte der Temperaturverteilung der Hintergrundstrahlung liefern. Die Daten bestätigten das "Standardmodell" der Kosmologen, nach dem unser Universum 13,7 Milliarden Jahre alt ist und überwiegend aus "Dunkler Materie" und "Dunkler Energie" besteht. Die gewöhnliche Materie, aus der Sterne und Planeten aufgebaut sind, trägt nur mit vier Prozent zur Gesamtbilanz des Kosmos bei. Jetzt haben die Forscher erstmalig auch die Polarisation - also die Richtung, in der die Strahlung schwingt - der Hintergrundstrahlung mit hoher Genauigkeit kartiert. Die gefundene Verteilung der Polarisation der Hintergrundstrahlung stimmt mit den Vorhersagen der Inflationstheorie überein.


Als Begründer der Urknalltheorie gilt der belgische Theologe und Astrophysiker Georges Lemaître (* 1894 - † 1966), der 1931 für den heißen Anfangszustand des Universums den Begriff „Uratom“, später auch „kosmisches Ei“ verwendete. In diesem Uratom soll die gesamte heute im Universum vorhandene Materie zusammengepresst gewesen sein. Dieser Zustand niedrigster Energie, auch "Quantenvakuum" genannt, war der Anfang von allem. Der Vakuumzustand stellt nach der Quantenfeldtheorie den „Grundzustand“ jedes physikalischen Systems dar. In den letzten Jahrzehnten wurden zunehmend Hinweise für die Existenz eines "vibrierenden, alles durchdringenden Energiefeldes", mit einer immensen Energiedichte, das den gesamten Raum erfüllt, gefunden. Diese Urenergie, ist unter verschiedenen Namen bekannt: Nullpunktenergie, Quantenvakuum, Tachyonenenergie oder auch Nullpunkt-Energie des Vakuums (zero point energy = ZPE). Eine winzige Fluktuation ließ aus dem Quantenvakuum unser heutiges Universum entstehen, mitsamt der Zeit und dem Raum.


In der Quantenfeldtheorie ist das Vakuum der Zustand mit der tiefstmöglichen Energie. Darin haben die Teilchenzahlen für alle Arten von Teilchen (Feldquanten) den Wert null. Leitet man die Nullpunkt-Energie aus dem planckschen Strahlungsgesetz (der deutsche Physiker Max Planck entdeckte das Strahlungsgesetz im Jahr 1900) ab, dann folgt daraus, dass im Vakuum ständig sog. virtuelle Teilchenpaare, bestehend aus Teilchen (z.B. Elektron) und zugehörigem Antiteilchen (z.B. Positron), erzeugt und wieder vernichtet werden. Diesen Vorgang nennt die Wissenschaft Vakuumpolarisation, oder auch Vakuum-, Quanten- oder Nullpunktfluktuation. Virtuelle Teilchen sind postuliert als spontane Fluktuationen eines Quantenfeldes und in diesem Zustand nach außen zwar nicht sichtbar. Durch Energiezufuhr können virtuelle Teilchen aber materialisieren und sichtbar werden.


Die ersten Teilchen, die entstanden, als sich die aus dem Quantenvakuum ausströmende Energie verdichtete, waren Quarks und Anti-Quarks, die Bausteine der heutigen schweren Materieteilchen. Mit abnehmender Temperatur konnten die Quarks nicht mehr als freie Teilchen existieren, sondern vereinigten sich zu Hadronen, den Bausteinen der Atomkerne. Durch weitere Abkühlung zerfielen die schwereren Hadronen und es blieben schließlich Protonen und Neutronen sowie ihre Antiteilchen übrig. Durch ständige Umwandlungen von Protonen in Neutronen und umgekehrt entstand auch eine große Zahl von Neutrinos. Mit weiter abnehmender Temperatur konnten Protonen nicht mehr in Neutronen umgewandelt werden. Erst danach, bei Temperaturen unterhalb von 109 K, vereinigten sich Protonen und Neutronen durch Kernfusion zu ersten Deuterium-Atomkernen, im weiteren Verlauf Helium-4 (4He), Lithium und Beryllium. Alle schwereren Elemente entstanden erst später. Die Temperatur war zu diesem Zeitpunkt immer noch so hoch, dass die Materie als Plasma vorlag, einem Gemisch aus freien Atomkernen, Protonen und Elektronen.


Was war vor dem Urknall?

Amerikanischen Forschern gelang es aufzuzeigen, dass in der Theorie der sogenannten "Quantenschlaufen-Gravitation" vor dem Urknall ein Universum gleich dem unseren existiert haben könnte - das allerdings nicht expandierte, sondern kollabierte. Das Problem dabei ist, dass die zur Beschreibung des Kosmos verwendeten Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins im Moment des Urknalls versagen: Dort spielen Quanteneffekte eine entscheidende Rolle - und eine Vereinigung von Relativitätstheorie und Quantentheorie ist den Physikern bislang nicht befriedigend gelungen. Die Forscher nutzten für ihre Rechnungen die Theorie der Quantenschlaufen-Gravitation, einen der führenden Ansätze zur Vereinigung von Relativitäts- und Quantentheorie. In dieser Theorie besitzt die Raumzeit selbst eine diskrete Struktur, ist also quantisiert. Der uns vertraute, scheinbar kontinuierliche Raum ist darin ein feines Gewebe aus eindimensionalen Quantenfäden. Unter den extremen Bedingungen des Urknalls zerreißt dieses Gewebe, wodurch die Gravitation zu einer abstoßenden Kraft wird - dadurch kehrt sich der Kollaps des Vorgängerkosmos zur Expansion unseres Universums um

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