Die Mississippi-Kultur

Cahokia auch bekannt als Stadt der Pyramiden war eine präkolumbianische indianische Stadt unweit vom heutigen St. Louis im US-amerikanischen Bundesstaat Illinois gelegen. Sie gilt als das Hauptzentrum der Mississippi-Kultur und existierte nur etwa 400 Jahre lang von ca. 1050–1350 n. Chr. Nach 1200 begann der bis heute rätselhafte Niedergang Cahokias. Um 1400 wurde die Stadt dann endgültig verlassen. Ihre Einwohner verschwanden spurlos. Für Jahrhunderte geriet die Stadt in Vergessenheit. Als Ursachen für ihren Niedergang dieser Hochkultur  werden Übervölkerung,  Umweltzerstörung durch Überjagung, Entwaldung und Umweltverschmutzung, ein Bürgerkrieg oder klimatische Veränderungen, wie Dürren und Überschwemmungen vermutet. Letztere Vermutung konnte zumindest  teilweise bestätigt werden. Im Jahr 2015 fanden Forscher Hinweise auf größere Überschwemmungen in Cahokia, die so schwerwiegend waren, dass zahlreiche Wohnstätten überflutet wurden. Die Analyse von Sedimenten unterhalb des Horseshoe Lake hat ergeben, dass in der Zeit zwischen 1100 und 1260 und zwischen 1340 und 1460 zwei große Überschwemmungen stattfanden. In Cahokia lebten um 1100 n. Chr. bis zu 40.000 Einwohner. Die Stadt hatte eine Fläche von mehr als 16 Quadratkilometern und war damit die größte und einflussreichste städtische Siedlung der damaligen Indianerkulturen des Mississippi. Ihre Einwohner hinterließen keine schriftlichen Aufzeichnungen, doch die sorgfältig geplanten großen, zeremoniellen Plätze, die sich um die Pyramidenhügel herum befinden, mit Häusern für Tausende, die durch angelegte Wege und Höfe verbunden sind, offenbaren eine komplexe und hoch entwickelte Gesellschaft.

Die Stadt wurde von einer westöstlich verlaufenden Straße getrennt. Eine weitere Hauptstraße lief nordostwärts. Ihre Kreuzung befand sich an der zentralen Plaza, dem Hauptplatz mit dem größten Mound. An den äußeren Enden der Straßen befanden sich vier Kreise aus Holzstämmen (Red Cedar) von den Archäologen als Cahokia  Woodhenge, das hölzerne Gegenstück zum englischen Stonehenge, bezeichnet.  Über das gesamte Stadtgebiet waren noch mindestens fünf weitere Woodhenges verteilt. Die Hauptanlage  diente vermutlich der Ermittlung der Frühjahrs- und Herbst-Tagundnachtgleiche, somit der Entwicklung einer Art Kalender, was wiederum den Schluss nahe legt, dass die Bewohner von Cahokia versierte Astronomen waren.


Cahokia umfasste etwa 120 Erdpyramiden, sogenannte Mounds,  das sind künstlich geschaffene Hügel, die von verschiedenen Indianerkulturen zu kulturellen Zwecken errichtet wurden.  Die Herren von Cahokia lebten in Häusern auf einigen der Mounds. Andere Mounds dienten als Begräbnisstätten.  80 Hügel sind heute noch übrig.  Im Zentrum von Cahokia stand als größter der Monks Mound, eine 30,6 Meter hohe, oben abgeflachte Erdpyramide, die eine Grundfläche von 291 mal 236 Metern bedeckte, also über fünf Hektar.  Oben auf dem Mound stand ein hölzernes Gebäude von 31 mal 14 Metern Grundfläche und einer Höhe von 15 Metern.

Das Fundament, auf dem Monk's Mound errichtet wurde, ist mysteriöser weise aus Sandstein. Solches Gestein kommt aber erst mindestens 13 Kilometer westlich, auf der anderen Seite des Flusses natürlich vor. Warum machte man sich die Mühe, Steine von weit herzuschleppen, um dann eine Erdpyramide darüber zu bauen? Die Bewohner der Stadt bauten ihre Häuser üblicherweise aus Holz und Lehm und waren keine großen Freunde von Steinen. Selbst in Gebieten, wo ihnen Steine zur Verfügung gestanden hätten, nutzten sie diese nicht als Baumaterial.


Einige der Mounds offenbarten sich  bei den Ausgrabungen als Grabhügel. Besonders die als Hügel 72 bekannte Erhebung verbarg  ein grausiges Geheimnis. Sie enthielt mehrere Massengräber. Die Archäologen entdeckten die sterblichen Überreste von mindestens 270 Menschen, die offenbar umgebracht wurden. An zahlreichen Knochen entdeckte man Spuren von Gewalt und grausamster Misshandlung. In einem der Massengräber fanden sich ausschließlich junge Frauen, die zum Zeitpunkt ihres Todes erst 12-25 Jahre alt waren und wahrscheinlich zu rituellen Zwecken geopfert wurden. Der Zweck dieser rituellen Massentötungen ist bis heute nicht restlos geklärt. Vergleichbar ist er vielleicht mit dem Opferkult der Azteken.  Die geopferten Menschen waren ein Geschenk an die Götter, um den Lauf der Sonne und den Fortbestand der Welt zu sichern. Je nach Gottheit wurden Krieger, Sklaven, Kinder, Frauen etc., später auch Konquistadoren geopfert.

Ein weiteres ungelöstes Rätsel von Cahokia ist ein großer Holzwall, der alle 70 m von einem Wachturm gesichert und offenbar in großer Eile errichtet wurde, denn er durchschnitt auch bewohnte Gebiete. Der Wall wurde im 11. Jhd. n. Chr.  rund um den wichtigsten Zeremonienbezirk von Cahokia errichtet. Sein Zweck ist unbekannt. Vermutet wird eine Invasion durch fremde Völker. Dagegen spricht aber, dass die einzigen gefundenen Beweise für die Kriegsführung ebendiese defensiven hölzernen Palisaden und Wachtürme sind, die die innere Stadt umschlossen. Der Holzwall muss wichtig gewesen sein, denn er wurde noch dreimal erneuert, bis die Bewohner Cahokias ihre Stadt aufgaben. Bei jeder Erneuerung wurden um die 15 000 neue Holzpfosten verwendet. Neuere Forschungsergebnisse belegen, dass nach der Aufgabe von Cahokia und einer Zeit der Entvölkerung im 16. Jahrhundert erneut Indianer den Bereich der einstigen Stadt besiedelten. Den Forschern zufolge handelte es sich offenbar um Menschen aus der Volksgruppe der Illinois, einer losen Konföderation von mindestens zwölf Algonkin sprechenden Indianerstämmen, deren Stammesgebiete sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts über große Teile des heutigen Mittleren Westens erstreckten.

Sie lebten zwar ebenfalls sesshaft, entwickelten aber keine so komplexen Gesellschaftsstrukturen wie zuvor die Menschen der Mississippi-Kultur und hinterließen deshalb auch keine so deutlichen archäologischen Spuren. Doch auch diese Episode endete schnell. Bereits im frühen 18. Jahrhundert hatten Kriege unter den Indianerstämmen und eingeschleppte Krankheiten die indianische Bevölkerung in der Region  dezimiert. Bei der Ankunft der ersten europäischen Siedler wirkte das Areal mit den Überresten der Monumentalbauten deshalb wie eine Geisterstadt.

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