Die Tschuden

Die im 19. und frühen 20. Jahrhundert aufgezeichneten traditionellen mündlichen Überlieferungen der nördlichen Karelier, der Komi, der nördlichen Russen und der Samen kennen die Tschuden als mythisches Altvolk oder auch als Angehörige fremder, oftmals feindlicher, anderssprachiger Gruppen. In der nordrussischen und Komi-Überlieferung werden die Tschuden, als ein mythisches, zum Teil schatzhütendes Altvolk, das "unter die Erde" gegangen ist und nahezu jeden Kontakt zu den Menschen abgebrochen hat, beschrieben. Die Legenden um das tschudische Volk erfuhren erst durch die Erzählung eines Geologen gewissermaßen eine Bestätigung. Dieser war nach eigenen Angaben in der Timantaiga, einem bis heute noch teilweise unerforschten Gebiet, unter seltsamen Umständen mit Vertretern des tschudischen Volkes zusammengetroffen und gefangen genommen worden. So verfuhren die Tschuden, den Aussagen des Geologen zufolge, mit Menschen, welche sie in ihrem Gebiet antrafen. Offenbar sollte durch diese zwangsweise Integration von Fremden in das isoliert lebende tschudische Volk ein Aussterben des Stammes verhindert werden. Hier sei angemerkt, dass im Gebiet der Timantaiga tatsächlich viele Menschen, Einheimische ebenso wie Fremde, spurlos verschollen sind. Der Geologe wurde von den Fremden zu einer unterirdisch angelegten, den Angaben zufolge sehr schwer auffindbaren Siedlung gebracht. Dort erst erfuhr er, dass er sich in den Händen der Tschuden befand. Er beschreibt sehr anschaulich, dass die Tschuden ein goldenes Idol verehrten. Dieses Idol war eine mannshohe Statue mit grob geformten, armlosen Körper, jedoch fein modellierten Gesichtszügen.

Die Ähnlichkeit mit den Gesichtern der Tschuden war unübersehbar; die gleichen eng stehenden Augen, breiten Jochbeine und der gleiche kleine Mund. Die Augen des Idols sandten bei jeder Zeremonie leuchtend blaue Blitze aus. Der Geologe vermutete, dass diese Leuchterscheinungen möglicherweise künstlich durch das sogenannte „Brewstersche Gesetz“ hervorgerufen wurden. Zur Erläuterung: Auf Ceylon gibt es das Mineral Jolith, eine durchsichtige Abart des gewöhnlichen Cordierits. Dieses manchmal tiefblaue Mineral ist ein Silikat. Es erscheint, aus unterschiedlichen Richtungen betrachtet, in verschiedenen Farben. Schneidet man aus Jolith eine Platte parallel zu einer der optischen Achsen des Materials heraus, so entsteht bei Lichteinfall ein optischer Effekt, ein die Augen blendender blauer Blitz. Diese Erscheinung wird als Brewstersches Gesetz bezeichnet.


Dem Geologen wurde unter anderem auch eine Höhle gezeigt, in der die Vorfahren der Herrscher des tschudischen Volkes bestattet waren. Sie ruhten unter halbdurchsichtigen Hauben aus Opal auf hohen goldfarbenen Sockeln. Seine Gastgeber berichteten ihm, dass ihre Vorfahren von der Venus auf die Erde kamen. Auf ihrem Heimatplaneten hätten sie unterirdisch gelebt. Einer der Fremden, von den Tschuden Urvater genannt, blieb auf der Erde und lehrte die Menschen Wissenschaften, Bergbau, Handwerke und Landwirtschaft zu betreiben. Es scheint, was von diesen auch bestätigt wurde, dass die Tschuden die unterirdische Lebensart von ihren außerirdischen Vorfahren übernommen haben. Ausdrücklich betont der Geologe in seinem Bericht auch, dass die „Statue des Urvaters einen Helm aus einem seltsamen Metall“ trug…. „Das ganze Aussehen erinnerte an moderne Kosmonauten…“. Möglicherweise handelte es sich bei den Tschuden wirklich um Nachkommen der Angehörigen einer gestrandeten außerirdischen Expedition. Diese Hypothese wird durch eine bestimmte Beobachtung des Geologen gestützt. Er entdeckte bei dem unterirdischen Volk einen sehr seltenen Fall von partiellem Albinismus. Die Tschuden hatten eigenartige, weißliche Augen. Sie konnten im Dunkel sehr gut sehen, wurden aber durch das Tageslicht geblendet. Ihnen fehlte das Pigment der Iris – dieser Fakt scheint zu beweisen, dass die Tschuden seit vielen Generationen bereits unter der Erde lebten, da dieser Albinismus offenbar vererbt wurde.


Bei einem gemeinsamen Streifzug mit den Tschuden wurde der Geologe durch einen Waldbrand unglücklicherweise von seinen tschudischen Begleitern getrennt. Er selbst wurde Stunden später in hilflosem Zustand an einem Fluss gefunden. Nur diesem Umstand ist es zu verdanken, dass er von seinen Erlebnissen berichten konnte. Er weigerte sich jedoch, seine Kenntnisse über den Zugang zum Höhlensystem der Tschuden preiszugeben. Vielleicht, weil er den genauen Ort selber nicht mehr kannte. Jedenfalls stellte er immer wieder auf eigene Faust Nachforschungen an, um zu erkunden, ob es überlebende Tschuden gab. Von einer dieser Expeditionen kehrte er nie zurück. Ausgesandte Suchtrupps fanden weder seine Leiche noch Fakten, welche die Existenz des Höhlensystems der Tschuden bestätigten. Der Bericht des Geologen verschwand zunächst in den Akten des geologischen Instituts von Archangelsk. Erst bei der Auflösung des Archivs dieser Institution geriet der Bericht des Verschollenen doch noch an das Licht der Öffentlichkeit. Bis heute jedoch erfolgten keinerlei Aktivitäten, um die Existenz des tschudischen Höhlensystems und seiner weißäugigen Bewohner nachzuprüfen.

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