Der Diskos von Phaistos

Der Discos von Phaistos ist eine geheimnisvolle Scheibe aus gebranntem Ton. Er wurde 1908 in Phaistos einer bronzezeitlichen minoischen Siedlung auf der griechischen Insel Kreta von dem italienischen Archäologen Luigi Pernier bei Ausgrabungen gefunden.


Sie ist mit kreis- und spiralförmig angeordneten Abstrakta, Menschen-, Tier- und Sachmotiven (Gerätschaften und Pflanzenmotiven) versehen, die mit einzelnen Stempeln eingedrückt wurden. Insgesamt ist sie mit 241 Stempeleindrücken beschriftet, die durch Trennlinien zu 61 Zeichengruppen zusammengefasst sind. Die Seite A enthält 122 Stempeleindrücke, zusammengefasst zu 31 Zeichengruppen. Auf Seite B finden sich 119 Eindrücke, zusammengefasst in 30 Zeichengruppen. Mehrere Zeichen sind wiederholt vorhanden, so ein KOPF MIT FEDERSCHMUCK (19x), ein HELM (18x), ein SCHILD (17x), TIERHAUT (15), ein BUMERANG (12x), ein FUSSGÄNGER, eine SÄULE, eine KATZE, eine PLATANE (jeweils 11x) etc. Es ist allgemein anerkannt, dass der Text spiralförmig, also vom Rand nach innen gelesen wurde. Die Scheibe selbst ist von flacher und unregelmäßig runder Form. Ihr Durchmesser variiert zwischen 15,8 und 16,5 Zentimeter. Die Oberflächen beider Seiten, die mit den Bezeichnungen A und B bezeichnet werden, sind von glatter, aber nicht ganz ebenmäßiger Struktur. Die Dicke der Scheibe schwankt zwischen 1,6 und 2,1 Zentimeter. Das Material der Scheibe besteht aus qualitativ hochwertigem feinkörnigem Ton, von goldgelber bis dunkelbrauner Farbe, der nach der Stempelung sorgfältig gebrannt wurde. Bislang konnte kein weiteres Fundstück seiner Art entdeckt werden. Der Discos von Phaistos ist damit eines der größten Rätsel der Archäologie. Weder seine Herkunft noch die Bedeutung der Inschrift konnte geklärt werden. Trotz mehrfacher Ansätze ist eine Entzifferung bis heute nicht gelungen. Im Laufe der Geschichte wurde der Discos unter anderem als astronomische Karte, als Planetarium, als ein Jahrtausendkalender, ein Spielbrett, ein Amulett, ein Bauernalmanach oder gar als Dokument aus Atlantis gedeutet. Je nach Lösungsansatz sei der "Text" in der damaligen kleinasiatischen Generalsprache der luwischen Hieroglyphenschrift, in Urgriechisch,  hethitisch, semitisch, zypriotisch, slawisch oder gar "Außerirdisch" verfasst worden. Auch ein ägyptischer Ursprung wurde vermutet. Die Annahme, dass es sich bei den Zeichen überhaupt um Schriftzeichen handelt, ist jedoch nicht bewiesen. Der Discos von Phaistos stand sogar im Verdacht, eine Fälschung zu sein. Dafür gibt es aber keinerlei Beweise. Der Archäologe Gareth Alun Owens, der gemeinsam mit dem Oxforder Sprachwissenschaftler John Coleman viele Jahre an dem Discos geforscht hat, hält die Inschrift, falls es überhaupt eine Schrift ist, für einen religiösen Text in minoischer Sprache. Es soll sich um eine Hymne an die große Mutter Ique, die minoische Schlangengöttin handeln. Ein gewichtiges Indiz für eine minoische Herkunft des Discos ist sein Fundort. Er wurde im westlichsten Gebäude des Nordosttrakts der minoischen Palastanlage von Phaistos (Kreta) entdeckt. Er lag zwischen Schutt- und Keramikresten in einem rechteckigen 1,15 × 3,40 Meter großen Vorratsraum der Anlage. Neben ihm wurde eine zerbrochene Schrifttafel in minoischer Linearschrift A gefunden.  Die Minoer schufen zwei verschiedene Schriftsysteme, eine Hieroglyphenschrift und die abstraktere Linearschrift A.  Die Linearschrift A ist die älteste Schrift Europas,–  doch welche Bedeutung ihre Zeichen hatten, ist bis heute ungeklärt. Beide Schriftsysteme wurden eine Zeit lang parallel verwendet. Keine der beiden Schriften konnte bisher entziffert werden. Anders als die minoischen Hieroglyphen ist die Linearschrift A weniger piktografisch und ähnelt in ihren von Strichen und Kurven dominierten Zeichen eher den Vorformen des Alphabets oder den Keilschriften Mesopotamiens. Der britische Archäologe Artur Evans vermutet, dass die Minoer ihre Hieroglyphen zwar eigenständig entwickelt haben, aber bei den Ägyptern teilweise abschauten. Ein oder zwei ägyptische Zeichen könnten aufgrund verblüffender Ähnlichkeit sogar übernommen worden sein. Diese Theorie konnte bisher aber weder bewiesen noch widerlegt werden. Ähnlichkeiten bestehen aber auch mit anderen bronzezeitlichen Bildschriften wie die der Hethiter und Zyprer. Einige Forscher vermuten deshalb, dass alle Hieroglyphen dieser frühen Kulturen auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen – eine Art Ur-Bildschrift, deren Spuren nicht erhalten geblieben sind.


Die Minoer sind ebenso legendär wie rätselhaft. Scheinbar aus dem Nichts errichteten sie ab etwa 2.500 vor Christus auf Kreta prachtvolle Paläste wie in Knossos oder Phaistos, schufen einzigartige Kunstwerke und dominierten über Jahrhunderte hinweg den Seehandel im gesamten östlichen Mittelmeer. Doch woher sie kamen und welche Sprache sie sprachen, ist bis heute ungeklärt. Auch der plötzliche Untergang dieser bronzezeitlichen Hochkultur gibt Archäologen Rätsel auf. Es wird aber vermutet, dass ihr Untergang um 1430 v. Chr. auf eine Eroberung durch die Mykener zurückzuführen ist. Um diese Zeit sind überall auf Kreta Spuren von Bränden und Zerstörungen nachweisbar. Die weitverbreitete Theorie, dass die Küstenstädte einem Vulkanausbruch auf der Insel Thera (Santorin) und evtl. einem anschließenden Tsunami zum Opfer fielen, gilt als widerlegt. Der Vulkanausbruch und der Untergang der minoischen Kultur passen zeitlich nicht zusammen. Auch weitere Hypothesen wie schwere Erdbeben können nicht belegt werden. Auf Kreta gibt es keine tektonischen Störungen, die ausreichend lang wären, um ein starkes Erdbeben mit überregionalen Zerstörungen zu erzeugen. Die Brandspuren deuten eher auf Überfälle von äußeren oder inneren Feinden hin. Als gesichert gilt nur, dass mykenische Herrscher den Palast von Knossos eroberten. Der Mythologie zufolge war der Palast der Sitz des legendären Königs Minos. Der Palast wird auch mit dem Mythos von Minotaurus im Labyrinth verbunden. Das war ein Wesen mit menschlichem Körper und Stierkopf. Die verwinkelte Anlage des Palastes war vermutlich der Ursprung dieser Legende. Der Archäologe und Höhlenforscher Paul Faure hält statt Knossos eine weitverzweigte Höhle bei Skontino, dreieinhalb Stunden von Knossos entfernt, für das Labyrinth.

Der Untergang der Minoer ist bis heute ungeklärt und bietet schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts Stoff für Spekulationen.

 

Eine Invasion der mykenischen Griechen vom Festland zu Beginn des 14. Jahrhunderts v. Chr. führte nach Ansicht der meisten Archäologen – möglicherweise in Verbindung mit einem Aufstand der bereits auf der Insel ansässigen Mykener – zum Niedergang der minoischen Kultur.  Die Mykener hatten ihren Machtmittelpunkt auf dem griechischen Festland und dehnten ihr Reich zu dieser Zeit immer weiter über die Inseln der Ägäis aus. Dass dies auch in Form von Kriegszügen geschah, belegen die Spuren von Zerstörungen und Bränden aus dieser Zeit. Nahe der Stadt Pylos stießen Archäologen auf das rund 3500 Jahre alte, unberührte Grab eines mykenischen Kriegers (auch als Grab des Greifen-Kriegers bezeichnet) gestoßen. Neben den Überresten des Toten fanden sich mehr als 2000 Objekte im Grab, darunter silberne Kelche, kostbare Steinperlen, Elfenbeinkämme, ein reich verziertes Schwert und vier goldene Ringe. Ein überaus detailreich gearbeitetes Siegel in minoischem Stil zeigt eine Schlachtszene. Das Grab stammt aus der späten Bronzezeit (Späthelladikum) und wird in die Zeit um 1500 v. Chr. datiert. Das Alter des bestatteten Mannes wird auf 30 bis 35 Jahre geschätzt. , Ein DNA-Vergleich ergab, dass er wahrscheinlich in der Nähe der Küstenstadt Pylos aufwuchs. Er war vermutlich einer der ersten Könige des mykenischen Pylos.  Nach Jahrhunderten der absoluten Dominanz begann die Macht der Minoer ab 1450 vor Christus plötzlich zu schwinden. Das Reich der Mykener löste das der Minoer ab. Warum allerdings die minoische Kultur in so kurzer Zeit unterging, ist bis heute ein Rätsel

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