Die Päpstin Johanna

Die Legende der Päpstin Johanna handelt von einer sich als Mann ausgebenden gelehrten Frau erzählt, die als Papst amtiert haben soll, zumeist identifiziert mit Johannes VIII. im 9. Jahrhundert. Bis heute dürfen aber nach dem kirchlichen Recht der katholischen Kirche nur Männer Priester, Bischof oder Papst werden. Die Frage, ob schon einmal eine Frau auf dem Papstthron saß, ist daher umstritten. Die heutige Geschichtswissenschaft geht davon aus, dass es kein reales historisches Vorbild für Johanna gab. Päpstin Johanna wurde der Legende nach um 818 in Ingelheim geboren. Ihre Eltern sollen früh verstorben sein und Johanna wuchs in einem Frauenkonvent auf. In einem Kloster der Stadt Fulda soll sich Johanna erstmals als Mann verkleidet haben. Sie wurde jedoch entdeckt und musste fliehen. Nach vielen Jahren gelangte Johanna nach Rom, wo sie als Mann getarnt im römischen Klerus schnell Karriere machte. Als Papst Johannes Anglicus soll sie schließlich 855 zum Nachfolger des Papstes Leo IV. aufgestiegen sein. Während ihrer Amtszeit erwartete sie ein Kind, das sie während einer Prozession auf der römischen Via Sacra tot zur Welt brachte. Ihrer Tarnung beraubt, war Päpstin Johanna schutzlos der zuschauenden Menge ausgeliefert, die sie aufgebracht steinigte. Tatsächlich hat es im Jahr 855 den Gegen-Papst Johannes Anglicus gegeben. Am bekanntesten ist die Schilderung des Dominikanermönchs Martin von Troppau, der im Jahr 1277 in seiner Chronik über einen Papst Johannes Anglicus berichtet, der um 850 das Pontifikat hatte und in Wirklichkeit eine Frau gewesen sein soll. Auch in der Chronica universalis Mettensis des Jean de Mailly (lat. Iohannes de Malliaco) und dem Tractatus de diversis materiis predicabilibus des Stephan von Bourbon wird von einer namenlosen Päpstin berichtet, die gegen Ende des 11. Jahrhunderts amtiert haben soll.

Der Dominikaner Martin von Troppau verlegte die Legende in seiner 1277 veröffentlichten Chronik dann in das 9. Jahrhundert und ergänzte sie um die Schwangerschaft und Niederkunft der Päpstin während einer Prozession. Zwei spätere Versionen von Martins Fassung beschreiben entweder den Tod der Päpstin und ihres Kindes bei dieser Geburt oder ihre Verbannung in ein Kloster. Eine der am häufigsten genannten Quellen ist der Liber Pontificalis des früheren Gegenpapstes Anastasius Bibliothecarius, der ein Zeitgenosse der Päpstin gewesen wäre. Diese Angabe findet sich ausschließlich in einem Manuskript, das sich in der vatikanischen Bibliothek befindet. Päpstin Johanna wird bis ins 17. Jahrhundert auch in kirchlichen Texten erwähnt.


Eine Hypothese nimmt an, der offizielle Nachfolger von Papst Leo IV., Benedikt III. über den jedoch nur wenige belegte Informationen vorliegen, sei von der römisch-katholischen Kirche erfunden worden, als im 17. Jahrhundert Päpstin Johanna aus der Geschichte getilgt worden sei. Es gibt jedoch sicher datierbare Münzen, die Benedikt III. zusammen mit dem am 28. September 855 verstorbenen Kaiser Lothar zeigen. Eine andere Hypothese nimmt an, dass Päpstin Johanna zwischen Leo IV. und Benedikt III. den Heiligen Stuhl innehatte, was sich aber nicht durch historische Belege bestätigen lässt. Doch alle die verschiedenen historischen Quellen sind unzuverlässig und nicht zeitgenössisch.


Jetzt hat ein Forscher neue Belege für das Pontifikat dieser Frau aufgespürt. Darunter sind Münzen aus der damaligen Zeit, die ihre Signatur tragen, aber auch Verweise in zeitgenössischen Dokumenten. Der Archäologe Michael Habicht von der Flinders University in Australien hat historische Dokumente und Münzen aus dem frühen Mittelalter ausgewertet und analysiert. ER kommt zu dem Ergebnis, dass mehr an der Geschichte dran als bisher gedacht. Eine antike Chronik berichtet, dass der angelsächsische König Aethelwulf während seiner Regierungszeit einen Papst Johannes besucht haben soll. Dieser König herrschte jedoch zwischen 839 und 858, es ist daher unmöglich, dass damit der erst ab 872 gekürte Papst Johannes VIII. gemeint war. In einem weiteren Dokument berichtet der Chronist Conrad Botho für das Jahr 856, dass ein Papst Johannes die sakrale Krönung des Königs Ludwig II. zum fränkischen Kaiser vollzogen habe. Im ältesten Manuskript der mittelalterlichen Papstchronik “Liber Pontificalis” wird für diesen Zeitraum ein Papst ohne Namen angegeben. Ein gewichtiges Indiz liefert ein Brief von Anastasius, einem 853 bei der Papstwahl gegen Benedict III. gescheiterten Kandidaten. Dieser ranghohe Kleriker adressierte einen Brief an einen Papst Johannes, der bislang dem späteren Papst Johannes VIII. und damit dem Jahr 872 zugeordnet wurde. Doch Anastasius unterzeichnete ab 867 mit seinem Titel “Bibliothecarius”, zwischen 855 und 858 aber unterschrieb er nur mit “Exiguus” – und genau dies steht unter dem Brief an den Papst Johannes. Dieser Brief kann daher nur aus der Zeit der Päpstin Johanna stammen. Ein noch handfesteres Indiz aber sind Münzen aus der Zeit der Frankenherrschaft. Eine Silbermünze (Denier) aus der Zeit zwischen 856 und 858 trug die  Inschrift SCS PETRVS (Sankt Peter) und das päpstliche Monogramm IOHANIS auf. In der Numismatik wird dieser Münztyp fälschlich dem späteren Papst Johannes VIII. zugewiesen, obschon dessen Namensmonogramm deutliche Unterschiede aufweist. Stilistisch gesehen, müsste diese Münze aus der Zeit der 850er bis 860er stammen. Hinzu kommt, dass auf der Rückseite dieser Münze Kaiser Ludwig II. dargestellt ist, der ab 855 regierte. In dieser Zeit gibt es nur Johannes Anglicus, die Päpstin – somit liegt ein historischer Beleg für die reale Existenz der Päpstin vor. In der Summe sprechen die Indizien dafür, dass in der Zeit von 856 bis 858 ein heute nicht mehr in offiziellen Kirchenchroniken auftauchender Papst Johannes Anglicus auf dem Papststuhl saß. Dieser Papst könnte später aus den Chroniken getilgt worden sein, weil er in Wahrheit eine Frau war

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