Die vierte Dimension

In der klassischen (mechanischen) Physik kennt man drei Dimensionen: Länge, Breite und Höhe, welches auch die einzigen sind, die der Mensch wahrzunehmen fähig ist. Unter «vierter Dimension» versteht man für gewöhnlich die Zeit. Damit wird die Abfolge von Ereignissen beschrieben. Zeit hat dabei eine eindeutige, nicht umkehrbare Richtung. Gemäß den Prinzipien der Thermodynamik kann diese Richtung als Zunahme der Entropie, d. h. der Unordnung in einem abgeschlossenen System, bestimmt werden. Nach Albert Einsteins Relativitätstheorie bildet die Zeit zusammen mit dem Raum eine vierdimensionale Raumzeit, in der die Zeit die Rolle einer Dimension einnimmt.


Philosophen wiederum beschreiben die Zeit als das Fortschreiten der Gegenwart von der Vergangenheit kommend und zur Zukunft hinführend. Dieses Phänomen wird auch als das Fließen der Zeit bezeichnet. Dieses Fließen entzieht sich jedoch einer physikalischen Beschreibung. Weder die Naturwissenschaft noch die Geisteswissenschaft haben eine Antwort. Dieses scheinbare Fließen der Zeit wird von vielen Physikern und Philosophen als ein subjektives Phänomen angesehen. Einige halten Zeit sogar für eine Illusion. Allgemein wird angenommen, dass Zeit sehr eng mit dem Phänomen des Bewusstseins verknüpft ist, und sich damit ebenso wie dieses einer naturwissenschaftlichen Betrachtung oder Erklärung entzieht und somit zu den großen Rätseln der Naturwissenschaft und Philosophie zählt.


Der Zeitbegriff hängt auch eng mit dem Kausalitäts­begriff, der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung, zusammen. Sie betrifft die Abfolge von Ereignissen, die aufeinander bezogen sind. In der klassischen, newtonschen Physik ist Kausalität leicht zu erklären: Die Vergangenheit ist unveränderlich, sie kann nicht von gegenwärtigen Ereignissen beeinflusst werden. Die Zukunft hingegen hängt von der Gegenwart kausal ab, kann also durch Ereignisse oder Handlungen in der Gegenwart beeinflusst werden. Damit wäre es im Rahmen der newtonschen Physik möglich, ein einheitliches, universelles Zeitsystem zu definieren. Das würde so aussehen: Zwei Beobachter messen zwar unter Umständen verschiedene Zeitpunkte für bestimmte Ereignisse, diese Zeitpunkte lassen sich aber eindeutig einander zuordnen, sodass klar ist, welche Ereignisse gleichzeitig stattfinden und welche nicht, unabhängig davon, wo sich diese Beobachter befinden und in welcher Weise sie sich bewegen. Die Wissenschaft spricht in diesem Zusammenhang von einer „absoluten“ Zeit. Alle Beobachter wären sich über die Reihenfolge von Ereignissen einig. Insbesondere hätten sie dieselbe Vorstellung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In der speziellen Relativitätstheorie wird die Existenz einer absoluten Zeit – und somit eines universellen Verständnisses von Gleichzeitigkeit – widerlegt. Beleg dafür ist die durch zahlreiche Beobachtungen bestätigte Tatsache, dass die Messung der Lichtgeschwindigkeit in jedem Inertialsystem und unter allen Umständen stets denselben Wert liefert. Wenn aber die Lichtgeschwindigkeit in jedem Inertialsystem in allen Richtungen gleich groß ist, stimmt die Aussage der Relativität der Gleichzeitigkeit, dass an unterschiedlichen Orten stattfindende Ereignisse, die in einem Inertialsystem gleichzeitig sind, aus Sicht eines relativ dazu bewegten Inertialsystems nicht gleichzeitig sind. Die Diskrepanz ist umso größer, je höher die Relativgeschwindigkeit und je größer der räumliche Abstand der Ereignisse ist. Daraus folgt, dass es auf die Frage, ob zwei Ereignisse an verschiedenen Orten gleichzeitig oder zu verschiedenen Zeitpunkten stattfinden, keine für alle Beobachter gleichermaßen gültige Antwort gibt. Nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse verliert das Phänomen Zeit im Bereich der Planck-Zeit von 10−43 s seine Eigenschaften als Kontinuum. Die konsequente Anwendung der bekannten physikalischen Gesetze führt nämlich zu dem Ergebnis, dass jeder Vorgang, der kürzer ist als die Planck-Zeit, nur einem Objekt zugeordnet werden kann, das sofort zu einem Schwarzen Loch kollabieren muss. Das bedeutet aber, dass die bekannten physikalischen Gesetze jenseits der Planck-Zeit versagen. Eine klärende Antwort darauf erhofft sich die Wissenschaft von einer noch zu entwickelnden Theorie der Quantengravitation, die die beiden fundamentalen Theorien der Physik, die Relativitätstheorie und die Quantenphysik, vereinigen würde.

Fazit: Raum und Zeit existieren nicht als eigene absolute Größen wie in der klassischen Physik, sondern werden als ein Raum-Zeit-Kontinuum (kurz Raumzeit genannt) verstanden. Dieses Raum-Zeit-Kontinuum kann in Abwesenheit von Materie und Energie flach. Dieses Phänomen wird Minkowski-Metrik genannt. Die Minkowski-Metrik ist die Raumzeit der Speziellen Relativitätstheorie. Das Raum-Zeit-Kontinuum ist jedoch in der Regel durch Massen oder Energieformen gekrümmt. Dann muss die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) zur Beschreibung bemüht werden. Besonders ausgeprägt ist die Krümmung der Raumzeit bei Schwarzen Löchern. 


Nach der speziellen Relativitätstheorie von Albert Einstein gibt es eine absolute Grenzgeschwindigkeit, die Lichtgeschwindigkeit. Die Raumzeit zerfällt somit in drei Bereiche: Aus Sicht eines Beobachters gibt es eine Zukunft, die von ihm beeinflussbar ist, eine Vergangenheit, deren Auswirkungen ihn betreffen und ein „Anderswo“, mit dem er in keiner kausalen Beziehung steht. Für die Alltagserfahrung des Menschen spielt das keine Rolle, denn das Licht ist stets gleich schnell, dass der Eindruck einer Gleichzeitigkeit der Ereignisse entsteht. Inwieweit über die Krümmung der Raumzeit auch Reisen in die Vergangenheit prinzipiell möglich sind, ist Gegenstand verschiedener Theorien. So könnten Wurmlöcher, die Bereiche der Raumzeit mit unterschiedlicher Zeit verbinden. Aber auch spezielle Flugbahnen in der Umgebung eines hinreichend schnell rotierenden Schwarzen Loches könnten Zeitreisen ermöglichen. Die praktische Nutzung einer dieser potenziellen Möglichkeiten übersteigt aber die heutigen Mittel der Menschheit bei Weitem.


Die bei Reisen in die Vergangenheit auftretenden Paradoxe, z. B. das Schrödingers-Katze-Paradoxon, werden durch die Everettschen Vielwelten-Theorie, einer alternativen Interpretation der Quantenmechanik, zumindest theoretisch gelöst. Das Schrödingers-Katze-Paradoxon ergibt sich aus folgendem Gedankenexperiment: In einem geschlossenen Kasten befindet sich eine Katze und ein instabiler Atomkern, der innerhalb einer bestimmten Zeitspanne mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zerfällt. Der Zerfall des Atomkerns wird von einem Geigerzähler detektiert. Durch die Detektierung wird Giftgas, was die Katze tötet. Nach der Quantentheorie befindet sich der Atomkern nach Ablauf der Zeitspanne im Zustand der Überlagerung (noch nicht zerfallen und zerfallen). Demnach sollte, wenn die Quantenphysik auch auf makroskopische Systeme anwendbar wäre, ohne Wechselwirkung mit der Außenwelt sich auch die Katze im Zustand der Überlagerung (lebendig und tot) befinden. Diese Überlagerung würde erst beendet, wenn ein Beobachter den Kasten öffnet und den Zustand der Katze überprüft. Das heißt einerseits, erst durch die Beobachtung (Messung) entscheidet sich, ob man die Katze tot oder lebendig auffindet. Bis dahin wäre die Katze also lebendig und gleichzeitig tot. Diese Schlussfolgerung erscheint jedoch paradox. Die Everettsche Viele-Welten-Interpretation löst dieses Paradoxon, indem sie postuliert, dass alle über die Wahrscheinlichkeiten der Quantenphysik möglichen Messergebnisse sich zugleich in verschiedenen Universen (Parallelwelten) einstellen, während jeder zugehörige Beobachter, nur ein bestimmtes Messergebnis wahrnimmt. Daraus folgt, dass die Vergangenheit, in die jemand bei Zeitreisen reist, in einer Parallelwelt angesiedelt ist. Der ursprüngliche Ablauf der Dinge und der durch die Zeitreise modifizierte würden, sich beide parallel und unabhängig voneinander abspielen. Unsere Erinnerungen und das, was wir als Realität wahrnehmen, entsprechen dann nur einer von unzähligen möglichen (und gleichermaßen realisierten) Abläufen im Universum.


Von einigen physikalischen Theorien, die eine Vereinigung von Relativitätstheorie und Quantentheorie versuchen, wird sogar die Existenz einer fünften Dimension vorhergesagt. Darin ist unser Universum mit seinen drei räumlichen und einer zeitlichen Dimension nur eine "Membran" in einem höher dimensionalen Kosmos. Alle Teilchen und Kräfte sind innerhalb dieser Membran gefangen -- außer der Gravitation. Beim Urknall sollte eine große Zahl kleiner Schwarzer Löcher entstanden sein. In einem vierdimensionalen Universum hätten sich diese Mini-Löcher inzwischen durch die sogenannte Hawking-Strahlung aufgelöst. Nicht so im Membran-Modell -- dort würden die kleinen Schwarzen Löcher noch heute existieren.


Share by: