Oumuamua

Im Sonnensystem wurden bis Ende 2019 zwei Objekte identifiziert, die ihren Ursprung klar im interstellaren Raum haben: Oumuamua und Borisov. Dabei handelt es sich um astronomische Objekte, die sich im interstellaren Raum (= sternfernes Weltraumgebiet innerhalb einer Galaxie) befinden und gravitativ nicht an einen Stern gebunden sind bzw.  sich auf einer interstellaren Bahn befinden, aber vorübergehend in der Nähe eines Sterns vorbeiziehen, wie z. B. bestimmte Asteroiden und Kometen. Aufgrund der enormen Entfernungen sind Reisen durch den interstellaren Raum für die Menschheit bislang technisch nicht  realisierbar. Borisov ist ein Komet  aus Richtung des Sternbilds Kassiopeia  auf einer hyperbolischen Bahn durch das Sonnensystem.  Seinen sonnennächsten Punkt erreichte er am 2019, wobei er die Sonne im zweifachen Erdabstand passierte. 2020 wurde auf Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops entdeckt, dass Borisov in zwei Teile zerbrochen ist. Oumuamua  wurde 2017 durch das Pan-STARRS-Teleskop auf Hawaii von dem kanadischen Physiker und Astronomen Robert Weryk entdeckt, als er schon an der Sonne vorbeigeflogen war und sich bereits wieder auf dem Weg zurück in den interstellaren Raum befand.

Oumuamua flog nahezu senkrecht zu den Bahnebenen der Planeten in das Sonnensystem ein. Im September 2017 durchquerte er zwischen Sonne und Merkur die Ekliptikebene. Rückrechnungen ergaben eine Herkunftsrichtung aus dem Sternbild Leier, nicht weit entfernt von dessen Hauptstern Wega.

Aufgrund seiner Bahneigenschaften hielt man Oumuamua ursprünglich für einen Kometen. Als bei genaueren Beobachtungen aber festgestellt wurde, das der Himmelskörper weder einen Schweif hinter sich herzieht noch von einer Koma (=Hülle aus Gas und Staub) umgeben ist,  klassifizierte man das Objekt als Asteroiden. Doch Asteroiden bewegen sich nicht von allein. Sie befinden sich regelmäßig  auf einer Umlaufbahn um einen Himmelskörper und werden von der Schwerkraft angetrieben. „Oumuamua“ dagegen wird offenbar von etwas anderem  angetrieben, obwohl das Objekt inaktiv wirkt. Das Objekt bewegte sich mit langsam abnehmender Geschwindigkeit in Richtung Sternbild Pegasus und hatte das Sonnensystem auf seiner Bahn bereits wieder verlassen. Die außergewöhnlich starken Helligkeitsschwankungen mit Perioden von 6,9 bis 8,3 Stunden ließen auf ein zigarrenförmiges Objekt schließen. Diese ungewöhnliche Form nährte Spekulationen, es könne sich um ein außerirdisches Raumschiff handeln. Es wurde auch spekuliert, dass es sich um ein Sonnensegel handeln könnte, welches von einer außerirdischen Zivilisation stammt. Der Leiter des astronomischen Instituts der Harvard-Universität, Avi Loeb, schließt nicht aus, dass es sich bei dem Objekt auch um eine aktive Raumsonde handeln könnte. Er hielt es ebenfalls für möglich, dass das  Objekt eine  Art Bote sei, von einer unbekannten Zivilisation hergestellt und verschickt. Doch selbst wenn man eine außerirdische Herkunft für möglich hält, so ist Oumuamua der Erde nie besonders nahegekommen. 2017 flog Oumuamua in einem geringsten Abstand von etwa 24 Millionen Kilometern an der Erde vorbei, was immer noch etwa 60-mal so weit entfernt ist wie der Mond.

Die genaue Herkunft des interstellaren Objekts kann bisher nicht bestimmt werden, zumal seine Flugbahn nicht gravitative Einflüsse zeigt. Anhand der Bahndaten Oumuamuas vor der Begegnung mit der Sonne kann mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass das interstellare Objekt von einem der Sternsysteme näher als 11 Lichtjahre oder etwa vom sonnennahen Doppelsystem Luhman-16-System im Sternbild Vela  kommt. Luhman-16 ist etwa 6,5 Lichtjahre von der Sonne entfernt und damit nach Alpha Centauri und Barnards Pfeilstern das unserem Sonnensystem dritt-nächste Sternsystem. Im Dezember 2017 wurde im Rahmen des Forschungsprojektes Breakthrough Listen das Radioteleskop am Green-Bank-Observatorium im US-Bundesstaat West Virginia auf Oumuamua gerichtet, um mögliche Signale künstlichen Ursprungs von Oumuamua zu empfangen. Über zwei Wochen hinweg wurden Daten gesammelt. Dabei wurden aber keinerlei Hinweise auf künstliche Signale gefunden. Auch das SETI-Projekt hatte schon eine ähnliche, ebenfalls erfolglose Untersuchung mit dem Allen Telescope Array in Kalifornien durchgeführt. Eine Studie der Assistenzprofessorin am Fachbereich Chemie Jennifer Bergner (University of California in Berkeley) und der Geophysiker Darryl Seligman (Cornell University) belegt die Theorie, dass  Oumuamua Gas von seiner Oberfläche freigibt – und so angetrieben wird. Oumuamua sei in einem fremden Planetensystem als normales wasserreiches Planetesimal (die Vorstufe eines Planeten) entstanden. Kosmische Strahlung bewirkte, dass aus den Wassermolekülen molekularer Wasserstoff entstand, der in dem Himmelskörper gefangen war. Als dieser sich schließlich der Sonne näherte, erhitzte er sich und gab den molekularen Wasserstoff frei, der dann als eine Art „Antrieb“ im Weltall fungierte. Doch die Spekulation, bei Oumuamua könnte es sich  um ein Alien-Raumschiff handeln, hält bis heute stand. Die Wahrheit erfahren wir nur, wenn Oumuamua für Menschen erreichbar wäre. Wegen seiner hohen hyperbolischen Exzessgeschwindigkeit von etwa 26,3 km/s ist Oumuamua jedoch nur schwer für Raumfahrzeuge erreichbar. Das Raumfahrzeug mit der derzeit höchsten hyperbolischen Exzessgeschwindigkeit ist  die Raumsonde Voyager 1 mit ca. 16,6 km/s. Die Raumsonde der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA zur Erforschung des äußeren Planetensystems und des interstellaren Raums wurde 1977 von Cape Canaveral gestartet, flog zunächst die Planeten Jupiter und Saturn an und trat 2012 als erstes von Menschen geschaffenes Objekt in den interstellaren Raum ein.  Die Sonde sendet noch heute regelmäßig Daten zur Erde. Außerdem ist sie das am weitesten von der Erde entfernte, von Menschen gebaute Objekt und wird diesen Status auf absehbare Zeit auch behalten. Von der Erde aus betrachtet befindet sich Voyager 1 aktuell im Sternbild Schlangenträger.

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