Schlaf

Schlaf ist bei Menschen und Tieren ein Zustand der äußeren Ruhe. Die sogenannte „innere Uhr“ (Chronobiologie1) ist unter anderem wesentlich an der Regelung des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt, dem der Wechsel von Tag und Nacht (hell und dunkel) zugrunde liegt. Der zweite Faktor, der neben dem Tag-Nacht-Wechsel das Schlafbedürfnis beeinflusst, ist die Zeit, die seit dem letzten Aufwachen vergangen ist. Ein normaler Schlafzyklus beim Menschen dauert 90 bis 110 Minuten und unterteilt sich in vier Phasen: Einschlafen, Leichtschlaf, Tiefschlaf (Non-REM-Phase), Traumschlaf (REM-Phase). Der Schlaf wird in seinem Verlauf neurophysiologisch gesteuert. Dabei wechseln sich Tiefschlafphasen, in denen der Schlafende schwerer aufzuwecken ist, mit weniger tiefem Schlaf ab.

Wenn sich gegen Ende des Schlafs, üblicherweise nach etwa sechs bis acht Stunden, diese Schlafphasen in immer kürzeren Abständen abwechseln, wird der Schlafende wach. Dieser zyklische Prozess wird auch Schlafrhythmus genannt. Tiefschlaf ist die tiefste Schlafphase. In dieser Schlafphase treten jedoch Phänomene wie Schlafwandeln und Sprechen im Schlaf auf, wieso, ist wissenschaftlich noch nicht hinreichend untersucht. Der Tiefschlaf ist die dritte Phase des nächtlichen Schlafzyklus. In dieser Phase sinken bei Primaten und anderen höheren Lebewesen Puls, Atemfrequenz und Blutdruck ab und die Gehirnaktivität verändert sich. Die vierte und letzte Phase des nächtlichen Schlafzyklus, der sogenannte REM-Schlaf (auch Traumschlaf oder paradoxer Schlaf) ist gekennzeichnet durch eine Aktivierung der meisten vegetativen Funktionen, mit Erhöhung des Blutdrucks, der Atmungs- und Herzfrequenz, sowie zu einer erhöhten Durchblutung des Genitals. Das Stresshormon Adrenalin wird in dieser Phase vermehrt ausgeschüttet und die Magen- und Zwölffingerdarmaktivität steigt. Ausgenommen von diesem „aktiven Schlafzustand“ ist die Muskulatur, die im REM-Schlaf blockiert wird (Atonie).  Bereits im Non-REM- oder orthodoxer Schlaf nimmt die EMG-Aktivität (Elektromyografie; Muskeltonus) allmählich ab, bis es im REM-Schlaf zur völligen Muskelatonie kommt. Ein gesunder Erwachsener durchläuft in jeder Nacht vier bis sechs Schlafzyklen. Die Dauer der einzelnen REM-Phasen liegt zu Beginn des Nachtschlafs bei durchschnittlich fünf bis zehn Minuten und wird in den folgenden Phasen länger. Die durchschnittliche Gesamtdauer pro Nacht liegt beim Erwachsenen bei ca. 104 Minuten. Traumberichte bei Weckungen in dieser Phase sind deutlich lebendiger, visueller und emotionaler als bei Weckungen in anderen Phasen.


An der Schlafeinleitung sind im Wesentlichen drei Hirnregionen beteiligt: die Formatio reticularis (Signalgeber für Wachheit) im Hirnstamm und zwei Zwischenhirngebiete: der Thalamus und der Hypothalamus. Ihre Weck-Funktionen übt die Formatio reticularis über Botenstoffe aus, mit denen sie den Thalamus, gleichsam das „Tor zum Bewusstsein“, erregt. Diese Neurotransmitter sind Noradrenalin und Acetylcholin. Der Hypothalamus ist mit dem Auge verbunden und produziert bei Dunkelheit weniger von dem Transmitter Histamin (wichtiger Regulator bei der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus) und einem Peptid namens Orexin, das ebenfalls einen maßgeblichen Einfluss auf das Schlaf-Wach-Verhalten des Menschen hat. Der Nucleus suprachiasmaticus (SCN) ist ein Kerngebiet im ventralen Hypothalamus. Er enthält direkte Zuleitungen aus der Retina. In diesem Gebiet liegt auch die Hauptschaltzentrale der inneren Uhr, die die circadiane Rhythmik synchronisiert. Der SCN beeinflusst auch die Aktivität des Sympathikus. Über dieses vegetative System stimuliert der SCN die Freisetzung von Melatonin aus der Zirbeldrüse. Melatonin wird in den Abendstunden vermehrt ausgeschüttet und trägt zur Schlafeinleitung bei. Folglich erfährt das Gehirn über den Hypothalamus, dass es Zeit zum Schlafen ist, weil es dunkel geworden ist. Der Nucleus suprachiasmaticus ist der wichtigste, aber nicht der einzige Koordinator des Schlaf-Wach-Rhythmus. Der Körper besitzt weitere Botenstoffe, die zu erhöhtem Schlafbedürfnis beitragen können. So entsteht bei großen Stoffwechselleistungen (körperliche Arbeit) vermehrt Adenosin, das Müdigkeit hervorruft. Während des Schlafes schaltet sich das Bewusstsein alle 25 Sekunden ein und wieder aus. Während des Non-REM-Schlafes laufen sogenannte Spindelwellen über die Großhirnrinde. Wenn sie auftreten, ist das Gehirn für Informationen von außen fast vollständig gesperrt, d.h., ein zu dieser Zeit auftretendes Geräusch löst keine Gehirnreaktion aus. Die elektrischen Wellen schwellen 25 Sekunden an, dann schwellen sie im gleichen Rhythmus wieder ab, dann beginnt der Zyklus von neuem. 25 Sekunden lang ist das Bewusstsein für äußere Reize empfänglich und der Schlaf entsprechend seicht. Dann ist man für  25 Sekunden bewusstlos. Mehrere Tierarten beherrschen auch den sogenannten Halbhirnschlaf. In diesem Schlafzustand schläft nur eine der Gehirnhälften, während die andere aktiv bleibt. Die Gehirnhälfte bleibt für äußere Reize empfänglich. Es wird vermutet, dass auch Menschen, wenn sie an einem fremden Ort schlafen, über eine Art Halbhirnschlaf verfügen.


Die Funktionen des Schlafs sind erst teilweise aufgeklärt. Sicher ist, dass Menschen und viele Tiere schlafen müssen, um zu überleben, der genaue Grund ist jedoch noch unbekannt. Die Schlafforschung versucht, genauere Informationen über die evolutionären Ursachen des Schlafs zu ermitteln.  Es gibt eine Reihe von Hypothesen, die zum Teil durch psychologische und auch physiologische Experimente untermauert wurden.


Evolutionshypothese: Die Erdrotation bzw. der Sonnenstand mit dem Rhythmus von Tag und Nacht gab die Grundlage für die Entwicklung von Ruhe- und Aktivitätszyklen. Beobachtungen an wenig entwickelten Organismen lassen vermuten, dass schon früh in der Evolution Anpassungen an die Licht- und Temperaturverhältnisse stattgefunden haben, um die metabolische Aktivität zu regulieren.


Entwicklungshypothese: Untersuchungen deuten darauf hin, dass REM-Schlaf für die Entwicklung des Gehirns von entscheidender Bedeutung zu sein scheint. Bei Neugeborenen macht er z. B. den größten Teil des Schlafes aus. Schlafmangel bei Kleinkindern hingegen führt zu Verhaltensstörungen, reduzierter Gehirnmasse  und einer ungewöhnlich hohen Nervenzellsterblichkeit. Diese Theorie erklärt jedoch nicht, weshalb auch Erwachsene nach wie vor REM-Schlaf brauchen. Sie erklärt ebenfalls nur unzureichend, weshalb der REM-Anteil bei Kleinkindern bereits nach dem dritten Lebensjahr etwa gleich ist wie bei einem Erwachsenen.


Ausschwemmung von Abfallstoffen aus dem Gehirn: Die Filtersysteme der Blut-Hirn-Schranke und der Blut-Liquor-Schranke sorgen für eine aktive Einschränkung und spezielle biochemische und biophysikalische Kontrolle der Versorgung mit Nährstoffen als auch der Entsorgung der Abfallstoffe von Gehirn und Rückenmark (ZNS). Da jedoch gerade hier ein ungewöhnlich hoher durchschnittlicher Stoffwechsel vorliegt, müssen besondere Einrichtungen vorhanden sein, um den nötigen An- und Abtransport auch während der Schlafphase zu gewährleisten. Die Erforschung dieser Zusammenhänge führte 2012 zur Entdeckung des glymphatischen Systems, eines speziellen Mikrokreislaufs im ZNS zur Ausschwemmung von überflüssigem und schädlichem Material.  Dieser Mikrokreislauf ging im Wachzustand im Vergleich zum Schlafzustand um etwa 95 % zurück.


Regenerationshypothese: Schlaf fördert die Wundheilung. Schlafentzug hat negative Auswirkungen auf das Immunsystem und den Stoffwechsel.


Ordnung, Aussortierung und Festigung von Erinnerungen: Nach dieser Hypothese werden im Schlaf Erlebnisse der Wachphasen verarbeitet. Das Gehirn soll von überflüssigen Informationen „gereinigt“ werden. Auch soll der Schlaf helfen, positive wie negative Erfahrungen einzuordnen, u. a. auch in Form von Träumen.

Synaptische Homöostase-Hypothese; der Tiefschlaf sei dazu notwendig, ein Grundniveau synaptischer Verschaltung wiederherzustellen: Im Wachzustand würden, aufgrund der erhöhten Informationsflüsse, Verstärkungen in den Netzstrukturen der Nervenzellen gebildet, wodurch die Synapsenstärke zunehme, und auch neue synaptische Neuverknüpfungen entstünden. Dies geschehe durch den bekannten Mechanismus der Langzeitpotenzierung: Bestimmte Kombinationen von Signalübertragungen zwischen Nervenzellen bewirken eine Potenzierung der beteiligten Synapsen, die längere Zeit anhält. Würden sich diese Prozesse im Laufe der Zeit unbehindert fortsetzen, würden die Netze bald überlastet sein. Im Tiefschlaf (genauer: im Non-REM-Schlaf) komme es deshalb zu einer Art Gleichschaltung gewisser neuronaler Gruppen, die sich durch langsam wellige Potenziale (Delta-Wellen) bemerkbar macht und dazu führe, dass die synaptischen Bindungsstärken und auch die Synapsenanzahlen wieder abnehmen. Nur die „starken“ Synapsen blieben bestehen. Einige der tagsüber neu gebildeten Nervenverbindungen bleiben aber von der allgemeinen nächtlichen Schwächung ausgespart. Diese bleibenden neuen Verbindungen repräsentierten neue Gedächtnisinhalte, die nachts gerade dadurch verstärkt würden, dass andere – weniger wichtige – Verbindungen des neuralen Netzwerkes geschwächt würden.


Problemlösungen während des Schlafs: In ausgeklügelten Experimenten konnte wiederholt wissenschaftlich bestätigt werden, dass manche Probleme sich plötzlich beim morgendlichen Aufwachen wie von selbst lösen. So lösten Versuchspersonen Zahlenrätsel, für die mehrere Einzelschritte erforderlich waren. Was ihnen nicht gesagt wurde, war, dass es eine Abkürzung gab, durch die man sich einige Schritte ersparen konnte. Nach der Einübungsphase ließ man einen Teil der Probanden acht Stunden schlafen. Danach war in dieser Gruppe mehr als doppelt so vielen Probanden die Möglichkeit der Abkürzung klar geworden, wie in den Gruppen, die tags oder nachts acht Stunden wach geblieben waren.


Das individuelle Schlafbedürfnis des Erwachsenen schwankt etwa zwischen sechs und zehn Stunden und folgt ungefähr einer Normalverteilung. Die optimale Schlafdauer eines Menschen hängt auch vom circadianen Rhythmus2 (Schlaf-Wach-Rhythmus) ab. Der Zeitraum für den Schlaf ist am besten, wenn die folgenden zwei Ereignisse in der Mitte des Schlafens zusammentreffen.


  • Maximale Melatoninkonzentration im Blut
  • minimale Körperkerntemperatur.


Einzelne Studien deuten auch auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Schlafstruktur und den Mondphasen hin.

1) Die Chronobiologie untersucht die zeitliche Organisation von physiologischen Prozessen und wiederholten Verhaltensmustern bei Organismen. Die hierbei nachgewiesenen Regelmäßigkeiten wiederkehrender Erscheinungen werden als biologische Rhythmen bezeichnet. Einige Beispiele sind Zellteilung, Herzschlag, Atmung, Schlaf, Winterruhe oder auch die Brunft oder der Menstruationszyklus.


2) Als circadianer Rhythmus bezeichnet man in der Chronobiologie zusammenfassend die endogenen (inneren) Rhythmen, auch biologische Uhr, die eine Periodenlänge von circa 24 Stunden und sich als Anpassung an eine sich regelmäßig ändernde Umwelt herausgebildet haben.


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